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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Experience_in_Action._DesignBuild_in_der_Architektur_7267348.html

17.06.2020

Buchtipp: Raus in die Realität

Experience in Action. DesignBuild in der Architektur


Seit kurzem ist im Architekturmuseum der TU München die von Vera Simone Bader kuratierte Ausstellung „Experience in Action!“ zu sehen. Sie stellt die Lehrmethode „DesignBuild“ vor, bei der Studierende konkrete Projekte planen und entwerfen, diese 1:1 umsetzen und dabei vor allem Praxisbezug, Sozialkompetenz und handwerkliche Fähigkeiten entwickeln können. Das gleichnamige Buch will den Stand der Diskussion abbilden und das gelingt. Neben 16 klassisch dokumentierten DesignBuild-Projekten aus allen Teilen der Welt versammelt es 19 ebenso reflektierte wie streitbare Textbeiträge von international Lehrenden, Studierenden und Fachleuten aus Psychologie, Philosophie und Soziologie.

Darin geht es nicht nur um die Gründe, weshalb DesignBuild immer wichtiger für die Architekturausbildung wird und welche Probleme sich daraus für die Hochschullehrpläne ergeben. Die Beiträge benennen auch den Widerspruch zwischen der Begeisterung der Teilnehmer und der mangelnden Akzeptanz in der Architektenschaft - die Bedeutung einer sorgfältigen Evaluation jedes Projektes und die ethischen Konflikte, die entstehen, wenn Studierende in ökonomisch marginalisierten Gemeinschaften bauen.

Die stärksten Momente hat das Buch an den Stellen, wo die Beiträge die Grenzen der Lehrmethode konkret beschreiben und den Vorwurf vom neokolonialistischen Handeln adressieren. Die Gründer von Atarraya Taller des Arquitectura aus Quito zum Beispiel verweisen beispielsweise auf die Gefahren der Narrative von DesignBuild-Projekten, die mitunter „marginalisierte Regionen beschreiben, als böten sie ästhetische Erfahrungen oder als handele es sich um touristische Destinationen, die man erleben oder ‚retten‘ sollte“. Ursula Hartig benennt den Konflikt zwischen dem der Lehre immanenten Moment des Scheiterns und dem berechtigten Anspruch der Nutzer auf ein langlebiges, ihren Bedürfnissen entsprechendes Projekt. Fehler seien wesenhaft für Wissenschaft und Forschung, doch mit den Nöten und Bedürfnissen von Menschen zu experimentieren, provoziere ein ethisches Dilemma, so Hartig.

Tomà Berlande wiederum beobachtet, dass die Bewertung der Ergebnisse oft nur anhand bautechnischer Lösungen erfolge und die Wirkung auf die Nutzer darin keine Rolle spiele. Wie Architektur ist, so Berlande, werde weiterhin als relevanter betrachtet als was Architektur tut. Diese Beobachtung schließlich übertragen Teddy Cruz und Fonna Forman in eine Forderung an die Architekten, sich nicht nur damit zu befassen, unmittelbare räumliche Probleme zu ‚lösen‘, sondern auch die Machtverhältnisse, die weltweit für große soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit verantwortlich sind, kritisch zu durchleuchten und ihnen entgegen zu treten.

Dem Buch gelingt es durchaus, die Facetten der Lehrmethode zwischen Selbstbau und Partizipation, zwischen sozialem Handeln und konstruktivem Experiment aufzuzeigen und die bisherige Praxis kritisch zu hinterfragen. In diesem Sinne ist es ein Must-Read für alle, die sich für einen Wandel in der Architekturlehre interessieren. Vom Titelbild sollte man sich daher nicht abschrecken lassen. DesignBuild ist kein Klötzchenspiel, sondern eine Hands-On-Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit.

Text: Friederike Meyer

Experience in Action. DesignBuild in der Architektur
Vera Simone Bader und Andres Lepik (Hg.)
240 Seiten
Detail Verlag, München 2020
ISBN 978-3-95553-522-3
34,90 €

Das Buch ist auch in einer englischen Fassung erhältlich.


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