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15.07.2020

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Buchtipp: Die neue Öffentlichkeit

Europäische Stadtplätze des 21. Jahrhunderts


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Das 21. Jahrhundert ist zwar erst zwanzig Jahre jung, doch für eine zeithistorische Setzung wohl schon alt genug. So darf man vermutlich den Titel der schwergewichtigen Publikation verstehen, die Hilde Barz-Malfatti und Stefan Signer Anfang des Jahres beim Weimarer Verlag M Books herausgegeben haben. Die neue Öffentlichkeit. Europäische Stadtplätze des 21. Jahrhunderts wagt einen ersten Rückblick auf aktuelle Interpretationen des jahrhundertealten Themas des innerstädtischen Platzes. Klar ist: Das Thema ist virulent, denn wenn unsere Städte immer dichter und die Wohnungen immer kleiner werden, kommt dem urbanen Freiraum logischerweise eine immer wichtigere Rolle zu.

Die Autor*innen halten sich nicht lange mit einleitenden Worten auf. Der historische Kontext ist knapp skizziert und die These der Publikation schnell auf den Punkt gebracht: Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung vor dem Hintergrund der autogerechten Stadtplanung, können wir uns über eine echte Renaissance der Stadtplätze freuen. Doch die öffentlichen Plätz der Gegenwart sind keine bloße Reparatur vernachlässigter Stadtstrukturen. Sie arbeiten mit zeitgenössischen Mitteln, bändigen den motorisierten Individualverkehr und stecken im dichten Gewebe der europäischen Stadt dezidiert öffentliche, barrierefreie und robust nutzbare Freiräume ab. In manchen Fällen sind sie Impulsgeber für Sanierungsmaßnahmen der angrenzenden Areale.

Überhaupt geht es auf den 380 Seiten des Buches weniger um das geschriebene Wort als um das gebaute Projekt. Anhand von 32 Plätzen aus 18 Ländern, geordnet nach acht funktionalen Kategorien, zeigen Barz-Malfatti und Signer, welche hervorragenden und beispielhaften Lösungen seit der Jahrtausendwende entstanden. Überzeugend sind nicht nur die acht Kategorien – von den „Repräsentativen“ über die „Verteiler“ bis zu den „Bildhaften“ –, sondern auch die breit gestreute Auswahl quer durch Europa. Nur der ewige Klassenprimus Kopenhagen fällt mit üppigen vier Beispielen natürlich mal wieder komplett aus der Reihe.

Zehn Seiten sind jedem Projekt gewidmet. Und immer sind diese zehn Seiten genau gleich aufgebaut: Präzise ausgewählte Fotos, sauber durchgearbeitete Planzeichnungen und pointierte grafische Analysen in Schwarz-Weiß schaffen instruktive Vergleichbarkeit. Viel Luft auf den Seiten und die überzeugende Gestaltung durch das Kieler Büro Bucharchitektur wirken jeglichem Gefühl von Schematismus entgegen. Hier hat man es nicht mit einem trockenen Handbuch zu tun, sondern mit einer inspirierenden und hervorragend aufgemachten Sammlung, die jedem zu empfehlen ist, der sich ernsthaft mit städtischen Freiräumen auseinandersetzt.

Am Schluss macht sich vor dem Hintergrund des Klimawandels trotzdem eine gewisse Skepsis breit. Denn so schön all die Plätze auch sind, handelt es sich in den meisten Fällen um stark versiegelte Räume. Urbaner Raum bedeutet also: wenig Bäume, wenig Grün und auch wenig Schatten. Allein die seit einigen Jahren beliebten, niveaugleich integrierten Wasserspiele schaffen punktuelle Abkühlung. Die Autoren stellen zwar in der Kategorie der „Resilienten“ drei Plätze vor, die als „Schwamm“ konzipiert sind und auf Starkregenereignisse reagieren können. Vermutlich muss der urbane Platz angesichts des Klimawandels aber doch nochmals anders gedacht werden: Als grüner, atmender Raum, der Regen aufnehmen und Hitze mildern kann. Vielleicht sind die hier gezeigten Plätze des 21. Jahrhunderts fast schon wieder obsolet.

Text: Gregor Harbusch

Die neue Öffentlichkeit. Europäische Stadtplätze des 21. Jahrhunderts / New Public Spaces. European Urban Squares in the 21st Century

Hilde Barz-Malfatti und Stefan Signer
384 Seiten
Deutsch und Englisch
MBooks, Weimar 2020
ISBN 978-3-944425-12-2

58 Euro


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

5

tine wilma | 21.07.2020 09:49 Uhr

abräumen


...es ließe schon noch anfügen, dass der platz räumlich prädestiniert ist für dieser art der gestaltung und das eine vergleichbare plaltzsituation in zürich bisher gar nicht existierte. ich kenne den platz gegenwärtig nicht gut genug um darüber zu urteilen - nur logisch finde ich dennoch, dass der platz mehr als früher seine aufmerksamkeit erhält durch die freigeräumte und "verdeutlichte" lage zum see. das drehkreuz am bellevueplatz steuert die menschen fast automatisch hierher...

hier kommen viele potenziale für einen gut funktionieren platz zusammen. um so lobenswerter erscheint es mir, das die stadt in diesem fall die grünfläche geopfert hat für einen stadtplatz...
ist ja nahezu folgerichtig, ein stark beanspruchtes grün in eine funktion zu überführen, die stabil und funktional tauglich langzeitlich ist.

4

auch ein | 20.07.2020 15:54 Uhr

architekt

@3

ich bin dort täglich einige male,
klar ist es ein hotspot, man muss ja fast zwangsläufig drüber.

das macht ihn aber nicht zum anziehungspunkt.

wenn SIE alles scheisse finden, na gut.
ICH finde die bilder besser als der platz in wirklichkeit ist.

und das er SCHÖN (darf man ja eh nicht sagen...) anzusehen ist und TROTZDEM nicht funktioniert passiert ja nicht nur dem armen Platz.

Schon mal auf dem Rietveld-Stuhl gesessen ?
ist das gleiche "in bunt".....

3

L.Reinhardt | 16.07.2020 15:08 Uhr

auch ein architekt

Zum Glück sind die Plätze nicht nur für die Besserwisser -Architekten gebaut.

Der Sechseläuteplatz ist ein Hotspot, das kann man bei Sonne und bei Schnee erleben, mit oder ohne Zelt.

Jeder der das Gegenteil behauptet
war wohl (noch) nicht da.

Die zunehmende Festivalisierung der Stadt, der man durchaus kritisch gegenüber stehen kann, ist ja nun eh erst mal ausgebremst. Um den Sechseläuteplatz steht es deshalb aber nicht schlicht.

Die allgemeine Haudrauf- Mentalität - Scheissplatz -
Scheissfotos - Scheissinhalt - Scheisspläne - weist wohl nur darauf hin das nicht alle die Relevanz des Themas an sich,
schon realisiert haben.


mfg aus Zurigo

2

peter | 16.07.2020 07:54 Uhr

deutschland - platzverweis

bezeichnend mal wieder, dass deutschland mal wieder in der vorrunde ausgeschieden ist. innovation und gute gestaltung finden woanders statt. wir bauen lieber dieselmotoren.

1

auch ein | 15.07.2020 15:48 Uhr

architekt

der sechseläuteplatz ist das grauen!

Im winter matschig, im Sommer heiss mit drei Bäumen und einem Plätscherpfützchen.

Leider musste man auf das jährliche Zirkus-Knie-Spektakel und den Weihnachtsmarkt Rücksicht nehmen.....

Solche Zwänge, denen man folgen will oder muss sollten in so einem Buch auch auftauchen, als Beschreibung oder Zeichnung / Fotos "im Gebrauch" , nicht nur -zig schnuckelige Schwarzpläne.....

 
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