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02.11.2020
Jüdisches Museum Frankfurt
Erweiterung von Staab Architekten
Fünf Jahre blieben die Türen des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main geschlossen – nun ist der alte Eingang am Untermainkai komplett verschwunden. Während der Umbaumaßnahmen hat sich das erste, der jüdischen Kultur gewidmete Ausstellungshaus Deutschlands inhaltlich wie baulich neu erfunden. Staab Architekten (Berlin) ergänzten die denkmalgeschützten, behutsam sanierten Palais mit einem Solitär, der das aktualisierte Museum auch durch eine neue Adresse und Eingangssituation repräsentiert. Die Bauleitung übernahm das Frankfurter Büro Schneider + Schumacher.
Der aus der städtebaulichen Situation zwischen Wallanlagen und Museumsufer abgeleitete, fünfeckige Baukörper mit abfallender Dachlinie greift in Putzfarbe, der Betonung des Sockels und seiner horizontalen Gliederung prägende Elemente des Bestands auf. Im Ensemble mit dem eingeschossigen Verbindungstrakt und den Altbauten entstand ein Vorplatz inmitten des ehemaligen Museumsgartens – der Bertha-Pappenheim-Platz. Hier steht die Baumskulptur des Künstlers Ariel Schlesinger und markiert den Eingang in das monolithisch verschlossen wirkende Gebäude. Nach dem Durchlaufen einer dezenten Eingangskontrolle – laut Museumsdirektorin Mirjam Wenzel eine beschützende Geste – entpuppt sich jedoch sein wahrer Charakter als „Lichtbau“: Großzügige Fenster und ein Oberlicht beherrschen das Foyer und bringen den feingeschliffenen hellen Sichtbeton, die Eschenholzverkleidungen und bronzenen Details zur Geltung. Von dieser aus dem Bauvolumen herausgeschnittenen Halle aus erschließt sich das gesamte Haus auf einen Blick.
Die Themen Schutz und Offenheit finden ihre Entsprechung auch im weiteren Museumskonzept: Erst bei Eintritt der Dauerausstellung in den Altbauten oder der Wechselausstellung im Untergeschoss der Erweiterung wird der Kauf einer Karte fällig. Ein Besuch der programmatischen Ergänzungen im Neubau, dem Veranstaltungsbereich mit eigenem kleinen Foyer und der Buchhandlung im Erdgeschoss, des als koscheren Deli betriebenen Cafés sowie der Georg-Heuberger-Bibliothek im ersten Obergeschoss sind unentgeltlich. Die Eschenvertäfelung der Fachbibliothek schafft ein hochkonzentriertes, geborgenes Raumgefühl. Dennoch ist der Lesesaal nicht in sich geschlossen, sondern über ein prominentes Fenster fest im Frankfurter Bahnhofsviertel verankert.
Das so umgestaltete Haus eröffnete Ende Oktober, nur wenige Monate nachdem das Jüdische Museum in Berlin seine neue Dauerausstellung präsentiert hatte. Anders als der Berliner Libeskind-Bau thematisiert der Neubau in Frankfurt jedoch den radikalen Bruch der Jahre 1933–45 nicht baulich. Die von Staab erdachte Addition ist vielmehr eine zeitgenössische Weiterführung des seit 1988 als Museum umgenutzten klassizistischen Bestands. Sie verwurzelt das ehemalige Wohnhaus der Familie Rothschild und das Palais am Untermainkai im Heute. Das passt zum inhaltlichen Perspektivenwechsel: In einer Zeit, in der die letzten überlebenden Zeugen des Holocaust verstummen und die jüngere Generation ihren Platz in der Gesellschaft selbstverständlicher einnimmt, kuratierten Museumsdirektorin Mirjam Wenzel und Sabine Kößling die beiden neuen Ausstellungen im Jüdischen Museum aus der Gegenwart heraus. (kms)
Fotos: Brigida González, Norbert Miguletz
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