Die Stiftskirche des im 13. Jahrhundert gegründeten Dominikanerklosters im elsässischen Colmar ist vor allem als Aufstellungsort der „Madonna im Rosenhag“ von Martin Schongauer, einem Altarbild aus dem 15. Jahrhundert von großem kunsthistorischem Wert, berühmt. Bislang weniger öffentliche Beachtung fand hingegen die im ehemaligen Konventsgebäude untergebrachte Bibliothek mit ihrer herausragenden Sammlung an mittelalterlichen Manuskrikpten, wertvollen Inkunabeln sowie rund 10.000 Büchern aus dem 16. Jahrhundert.
Nach der Säkularisierung des Klosters wurde die Dominikanerbibliothek zwischenzeitlich als Gendarmeriekaserne, Schule und zuletzt als Stadtbibliothek genutzt. In den vergangenen vier Jahren wurde sie im Auftrag der Stadt Colmar nach Plänen des Pariser Büros Ameller Dubois sorgfältig restauriert und dabei als Forschungsbibliothek mit umfangreichen musealen Ausstellungsflächen umstrukturiert und durch einen Archivneubau erweitert. Die nun entstandene Bibliothèque des Dominicains befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Colmarer Museumsquartier und dem 2015 fertiggestellten Musée Unterlinden.
Der Baukomplex mit einer Fläche von rund 3.400 Quadratmetern verbindet das historische Gebäude über eine Glasbrücke mit seinem neuen Annex, dem „Bücherspeicher“. Dieser hebt sich mit seinen Fassaden aus matt-schwarz gebrannten Holzlamellen vom Bestand ab. Im ersten Obergeschoss des alten Konventsgebäudes sind die Lesesäle für schriftliche sowie grafische Dokumente rund um den Kreuzgang angeordnet. Die zwischenzeitlich eingezogenen Decken wurden entfernt. Durch die Freilegung der lang verborgenen, eindrucksvollen hölzernen Dachbalkenkonstruktion sind nun auch die originalen Raumvolumina der ehemaligen Klosterbibliothek wiederhergestellt.
Das darunter liegende Erdgeschoss beherbergt auf über 500 Quadratmetern eine Dauerausstellung der wertvollsten Bücher, Dokumente und Karten vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert, die vor dem szenografischen Hintergrund einer Reise durch die Geschichte des Buches präsentiert wird. Bei den Restaurierungsarbeiten wurde zudem eine ehemalige Sakristei wiederentdeckt und in Holz rekonstruiert. Teil des Museumsrundgangs ist auch der Einblick in die Buchbinderei- und Restaurierungswerkstatt der kostbaren Sammlungsbestände. Archiviert werden diese auf den insgesamt fünf Geschossen des Neubaus – zwei Unter- sowie drei Obergeschosse – in mit thermischen und hygrometrischen Regulierungssystemen ausgestatteten, hochsicheren Lagerräumen. Durch den Brand der Pariser Kathedrale Notre Dame 2019, der den Abzug mehrerer Handwerker und Experten nötig machte, verzögerte sich die Realisierung deutlich. Die Kosten beliefen sich laut Architekt*innen auf etwa 19 Millionen Euro. (uav)
Fotos: Patrick Bogner
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Dass Klöster als traditionelle Bildungsorte durch Um- und Anbauten auch in Zukunft mit ihren Bibliotheken weiter bestehen können, zeigen Beispiele aus Loccum oder dem belgischen Mechelen. Eine Buchvorstellung zu herausragenden Bibliotheksbauten gibt es außerdem bei Baunetz Wissen.
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