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24.09.2021
Faszinosum Schräglage
Erweiterung des Luzerner Gletschergartens von Miller + Maranta
Ein tropischer Sandstrand in Luzern? So wenig vorstellbar wie die Szene ist auch die zeitliche Dimension, in der diese tatsächlich stattgefunden hat. Denn vor 20 Millionen Jahren befand sich an der Stelle am Wesemlinhügel im Norden Luzerns ein Sandstrand, der sich über die geologischen Zeiten hinweg zum Felsen versteinert in die schräge Vertikale schob. 1873 entdeckte man darin große Aushöhlungen. Zu einem Zeitpunkt, an dem die Alpen gerade zu einem Faszinosum für europäische Reisende wurden. Oberhalb dieser sogenannten Gletschertöpfe entstand in den Folgejahren mit dem Gletschergarten ein künstlicher Landschaftspark – mit Schwyzerhüsli, Aussichtsturm, Kassenhaus, Diorama, künstlichem Wasserfall, gedeckten Passagen und einem Spiegellabyrinth. Miller & Maranta legten diese skurrilen Artefakte eines frühen Alpentourismus wieder frei, nachdem man sie in den 1950er Jahren teils umbaut hatte. Und das Basler Büro fügte eine weitere Attraktion hinzu: eine Passage durch den Felsen hindurch entlang der Gletschertöpfe.
Eine dem späten 19. Jahrhundert eigene Art von Entdeckung und Imitation der Natur, die in der historischen Bebauung des Gletschergarten allzu ersichtlich ist, führen auch Miller & Maranta in ihrer Ergänzung des Landschaftsparks fort. Mit heutigen Mitteln, das heißt: mit Beton. Der Rundgang in den Felsen öffnet sich jetzt mit einem markanten Torbau, mächtige Betonstelen treten dabei schräg aus dem Felseninneren hervor, als seien sie tatsächliche Steinschichten. Auch während der Passage folgen die Spuren der Betonschalungen der Schräglage des Gesteins.
Das Team von Quintus Miller und Paola Maranta verwinkelte den Zugang zum Felsen, um das Tageslicht zu filtern und die Besucher*innen schrittweise in das Berginnere eintreten zu lassen. Der gesamte Parcours führt mit einer leichten 2-Grad-Neigung in die Tiefe. Entlang des Weges werden unterschiedliche Phänomene der Erdgeschichte aufbereitet. Die Geometrie und Lage der Räume orientieren sich dabei an der Schichtung des Sandsteins und den vorhandenen Klüften im Felsen, was zu beeindruckenden schrägen Querschnitten von Gängen und Kavernen führte.
Hinsichtlich der Materialität beließen die Architekt*innen den Fels an vielen Stellen sichtbar. Er ist nur dort unsichtbar, wo es aus Sicherheitsgründen notwendig ist. Die Passage endet schließlich an einem unterirdischen See. In ihm sammelt sich unter anderem das Regenwasser, das unter dem Landschaftsgarten in den Felsen eindringt. (sj)
Fotos: Gletschergarten Luzern
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