Die Zeiten sind langsam vorbei, in denen Hannes Meyer als der vergessene Bauhaus-Direktor zwischen Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe galt. 1927 von Gropius nach Dessau geholt, übernahm Meyer ein Jahr später den Posten des Bauhaus-Direktors, den er aber bereits 1930 aus politischen Gründen wieder räumen musste. Später bereute Gropius den Ruf des gebürtigen Baslers bitterlich und versuchte, dessen Anteil an der Geschichte des Bauhauses so gut wie möglich zu marginalisieren. Seit den Vierzigerjahren lebte Gropius in den USA und steuerte von dort aus mit großem Geschick die Wahrnehmung des Bauhauses in der westlichen Welt. Demgegenüber war Meyer 1930 in die Sowjetunion übergesiedelt und entwickelte sich hier zu einem überzeugten Marxisten – ein größerer Gegensatz ist eigentlich nicht vorstellbar.
Während Gropius nach dem Zweiten Weltkrieg international und im großen Stil baute, realisierte Meyer in den späten Dreißigerjahren sein letztes Gebäude. Umso wichtiger sind die beiden Projekte, die in seiner kurzen Zeit am Bauhaus entstanden und die auf der gestrigen Sitzung des Welterbekomitees in Krakau der bereits bestehenden UNESCO-Welterbestätte Bauhaus hinzugefügt wurden: Die Laubenganghäuser in Dessau-Roßlau (1930) und die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes ADGB in Bernau bei Berlin (1928–1930).
Beide Projekte entstanden in Zusammenarbeit mit der Bauabteilung des Bauhauses. An der Bundesschule wirkte außerdem Hans Wittwer mit, der bereits in Basel mit Meyer zusammen gearbeitet hatte und damals ebenfalls am Bauhaus lehrte. Neben der architektonischen Qualität der beiden in Backstein ausgeführten Projekte – die stark von der strengen Kontrastierung offen gezeigter Materialien leben – ist vor allem der Entstehungsprozess wichtig. Es handelt sich hier um Projekte, die aus der Praxis am Bauhaus resultierten und in denen sich die objektiv-wissenschaftliche Entwurfshaltung Meyers niederschlug, die Architektur als Ergebnis einer Analyse funktionaler Anforderungen begriff. Vor allem bei den Laubenganghäusern waren die Studierenden essenziell in den gesamten Entwurfs- und Bauprozess eingebunden, so dass Meyer diese später als erste wirkliche „Kollektivarbeit“ bezeichnete.
Dass beide Projekte durch die UNESCO nun als Weltkulturerbe gewürdigt wurden, darf als logischer Schritt gelten, nachdem der lange vergessene Meyer in den letzten Jahren durch die Wisssenschaft neu diskutiert wurde und endlich einen angemessenen Platz in der Geschichtsschreibung des Bauhauses einzunehmen beginnt. (gh)
Fotos: Brenne Architekten, Hermann Bunzel, Sebastian Gündel, Tadashi Okochi, Christoph Petras, Doreen Ritzau, Yvonne Tenschert