Die JVA Stuttgart-Stammheim ist ein Ort deutscher Geschichte. Hier lässt sich der RAF-Terror am ehesten räumlich greifen. „Wie man sich auch entschied, man machte sich schuldig“, soll Helmut Schmidt im Zusammenhang mit der Entführung von Hanns Martin Schleyer 1977 gesagt haben. 40 Jahre nach dem Deutschen Herbst bemüht man sich nun wieder vermehrt darum, das Phänomen zu erklären, Lücken zu schließen und endlich einzuordnen, was damals politisch und gesellschaftlich schiefgelaufen ist. Gleichzeitig wird heute in Stammheim ein Erweiterungsbau der seit 2013 denkmalgeschützten JVA der Öffentlichkeit vorgestellt. Was bedeutet das?
Auch ohne die besondere politische Aufladung wäre ein Gefängnis kein angenehmes Thema. Seit 1977 sei „Resozialisierung der Gefangenen das oberste Ziel des Strafvollzugs“ in Deutschland, stellt der Projekttext zum Neubau der Architekten karlundp (München) fest. Ohne autoritäre Merkmale kommt die Bauaufgabe jedoch nicht aus: Bei der räumlichen Organisation der Höfe ist das Ziel – natürlich – permanente potenzielle Kontrolle. Das Gesamtkonzept der Anlage wurde im Amt Ludwigsburg entwickelt. Bauherr ist das Land Baden-Württemberg, das insgesamt 57 Millionen Euro in den im Januar 2012 begonnenen Bau investierte.
Der offizielle Projekttext sagt über die Architektur nur wenig. Jedenfalls können sich die Architekten keinen gestalterischen Luxus vorwerfen lassen. Im Vergleich zum damals fortschrittlichen Altbau von 1963 wirkt die neue 10.667 Quadratmeter große Anlage mit ihrer Sichtbetonfassade verhältnismäßig hart und kalt. Wohl in dem Bewusstsein, dass man beim Gefängnisbau mit sachlich begründetem Gestaltungswillen irgendwie nichts richtig machen kann, überlassen die Architekten jegliche Poesie der Kunst am Bau, die hier auf drei Projekte verteilt ist.
Die Arbeit von Monika Goetz soll „auf eine andere Ebene verweisen“ und „im Idealfall Hoffnung geben“. In zwei Gefängnishöfen sind Sitzmöbel als Lichtinstallation in Form von zwei zirkumpolaren Sternbildern angeordnet, denn „der einzige freie, unverstellte Blick der Menschen in der JVA ist der in den Himmel.“ Anna Ingerfurth, Tilmann Eberwein und das Kollektiv Filderbahnfreunde Möhringen FFM entwickelten gemeinsam mit den Insassen die Dekoration der Zäune in den Südhöfen. Die Ausstattung des Kirchenraumes von Bernhard Huber will die Ambivalenz von „Ausblick und Reflektion“ thematisieren, die „Menschen hier am Ort sicher oft umtreibt“.
Heute wurde die Anlage feierlich der Öffentlichket übergeben – eine gute Gelegenheit, über das schwierige, aber hochaktuelle Thema „Moral“ in der Gesellschaft zu reflektieren und Ausblicke zu wagen. (dd)
Fotos: Michael Tümmers
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schlawuki | 23.10.2017 19:46 UhrAch herje...
Hiess denn das Büro nicht immer "Karl+Probst"? Und jetzt "karlundp"? Ist der Probst jetzt nur mehr Zeichenknecht, oder wa? Oder was heisst das "p"?
Aber was will man mehr machen aus einer solchen politisch belasteten Bauaufgabe?
Ob die Kunst das jetz raussreisst?
In jedem Fall eine weitere Notwendigkeit, dafür zu Sorgen in BW NICHT eingebuchtet zu werden.