Ein Kommentar von Sophie Jung
Die Rekonstruktion eines vor Dekaden zerstörten Schlossgebäudes im Zentrum der Hauptstadt ist schon von Natur aus ein Symbol. Und so sind auch die Ereignisse, die den Wiederaufbau begleiten, von symbolischer Bedeutung. Der pseudo-barocke Koloss in Berlins Innenstadt firmiert unter dem Namen Humboldt Forum, um nicht als wiederauferstandenes monarchistisches Bollwerk, sondern als öffentliche Kulturplattform in das umgeordnete Berliner Stadtbild einzugehen. Sein Namensgeber, Alexander von Humboldt, wurde vor genau 250 Jahren geboren. Weshalb das fast fertiggestellte Stadtschloss unbedingt in diesem Jahr dem Publikum übergeben werden soll. Die Verknüpfung mit dem gefeierten Gelehrten will Kulturstaatsministerin Monika Grütters um jeden Willen beibehalten.
Das Kuratorium des Humboldt Forums hat sich für den Auftakt eine opulente Schau mit kostbaren Objekten aus Elfenbein ausgedacht. Um knapp 150 Leihgaben von anderen Museen hatte das Humboldt-Forum dabei gebeten. Elfenbein ist – symbolisch etwas ungeschickt – nicht nur mit Kolonialzeit und Wilderei konnotiert, es ist auch ein sehr empfindliches Material. Feinstaub und mangelnde klimatische Bedingungen greifen es an. Nun verzögert sich aber nach einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung der Innenausbau. So konnte die Klimaanlage nicht wie geplant im Mai eingebaut werden, bis zur Installierung der fragilen Exponate kann sie nicht ausreichend getestet werden. Die internationalen Museen, die das Humboldt Forum für die große Schau anfragte, wollen daher die 150 angefragten Leihgaben nicht herausgeben. Die Eröffnungsausstellung wird vermutlich verschoben.
Dennoch, das Schloss steht. Es muss quasi nur noch der Vorplatz gekehrt werden. Am 30. November wird eröffnet, mit oder ohne Ausstellung. Doch welche Symbolik besäße das: eine pompöse Gebäudehülle im Schlüter-Barock, aber innen leer? Der Schlossneubau erfüllte bei solch einem Szenario die Prophezeiung seiner Kritiker, nur hohles Ornament zu sein. Das lässt dann doch schmunzeln, nach all den Debatten, die diesen Bau begleiteten. Vielleicht kann Intendant Hartmut Dogerloh solch eine Symbolik aber noch umgehen. Nach der Stiftungsratsitzung am 26. Juni wird er bekannt geben, zu welchen Inhalten sich die barocken Portale im Herbst öffnen werden.
Fotos: Stiftung Humboldt-Forum, Stephan Falk
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Ganz leer wird das Schloss ohnehin nicht eröffnen. Die meterlangen Südseebote aus den Ethnologischen Sammlungen wurden aus logistischen Gründen bereits vor einigen Wochen von Dahlem ins Humboldt Forum gebracht. Und auch die eiserne Tür des legendären Techno-Clubs Tresor wird wie geplant am 16. Juni ins Schloss einziehen. Zumindest für letztere besteht trotz ungetester Klimaanlage keine Gefahr, die kann Temperaturschwankungen ab.
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ixamotto | 07.06.2019 14:22 Uhr@Marc Laugier
Daumen hoch für Deinen Kommentar!
Eine schöne Anmerkung zum Thema 'Tradition' durch Rekonstruktion". Aber mit dem zukünftigen Dauerausstellen von kolonialer Raubkunst (das vorangegangene erste Meisterstück preussischen und großdeutschen Geltungsdrangs) im dazugehörigen Ambiente ist der BRD ja eh schon was richtig Passendes eingefallen...