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08.04.2020

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Viren-Austritt ausgeschlossen

Eric Mertens von ksg zum Laborbau


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In der derzeitigen Corona-Krise rückt neben dem Krankenhausbau mit dem Laborbau eine weitere Bauaufgabe in den öffentlichen Fokus. Es geht um einen Zweig der Medizin, dessen Forschung hinter dicht verschlossenen Türen stattfindet: die Virologie. Das Kölner Büro kister scheithauer gross hat einen Schwerpunkt im Forschungsbau und mehrere Hochsicherheitslabore realisiert. Wir haben uns mit Eric Mertens, Geschäftsführer und Laborbauexperte bei ksg, zum Gespräch getroffen – telefonisch, versteht sich.

Interview: Kathrin Schömer

Man liest im Zusammenhang mit virologischer Forschung von biologischen Schutzstufen oder biosafety levels (BSL), die sich von 1 bis 4 steigern. Können Sie das für Laien mal aufschlüsseln?
Eric Mertens: Meine Auftraggeber finden es sicher amüsant, wie ich das als Architekt wahrnehme (lacht). Es gibt im Laborbau eine ganz andere Vorschriftenlage als die, auf die wir als Architekten oder als TGA-Planer normalerweise unsere Arbeit gründen. Die Gentechnik-Sicherheitsverordnung GenTSV beschreibt vier Schutzstufen für gentechnische Arbeiten, mit vielen Abwandlungen, mit Sternchen und Plus-Zeichen. Aber im Wesentlichen gibt es Erreger, die schwach eingestuft werden, mit denen kann unter einfachen Laborbedingungen gearbeitet werden. Und Erreger, die als stärker gefährdend eingestuft werden. Grippe beispielsweise ist meines Wissens nach Schutzstufe 3, das heißt, man stellt erhöhte Anforderungen an den Umgang mit dem Erreger. Das geht dann bis hin zur Schutzstufe 4 für Viren wie Marburg oder Ebola.

Was bedeutet es baulich, diese Schutzstufe 4 zu gewährleisten?

Der Erreger muss in einem geschlossenen Containment bearbeitet werden. Es darf – wie auch schon bei einem Labor der Schutzstufe 2 – nur in einem Abzug unter geregelten Bedingungen mit einem Erreger gearbeitet werden. Aber darüber hinaus ist der Wissenschaftler im BSL-4 Labor im Vollschutz: Er trägt einen Anzug, der über eine separate Ventilation verfügt. Auch der Raum an sich muss so dicht sein, dass nichts raus kann, weder beim Einschleusen des Materials noch beim Ein- und Ausschleusen des Wissenschaftlers: Luft muss entsprechend gefiltert sein, Wasser oder anderes – wir haben auch eine kleine Tierhaltung in der Schutzstufe 4 gebaut – alle Medien, die rausfließen, müssen inaktiviert werden. Das wird entweder über Autoklaven erreicht, Druckbehälter, die Inhalte stark erhitzen bis sie steril sind, oder über chemische Inaktivierung.

Ihr Büro hat für das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg und das Institut für Virologie der Philipps-Universität in Marburg zwei der vier aktiven BSL-4 Labore in Deutschland realisiert. Wie oft kommt es zu so einem Auftrag?

Sehr selten. Was schade ist, denn wenn man sich einmal in die Materie eingelesen hat, macht es Spaß. Es sind unheimlich interessante Menschen, mit denen man da arbeitet. Man setzt sich mit Wissenschaftlern auseinander und ist plötzlich mit so gänzlich anderen Themen und Arbeitsweisen konfrontiert. Beide von uns geplanten Labore sind nicht hauptsächlich baurechtlich genehmigt worden, da hat immer die Gentechnikbehörde das Sagen. Und es macht natürlich einen Unterschied, ob man sich als Architekt mit der Kölner Bauaufsicht oder mit der zentralen Kommission für Biologische Sicherheit abstimmt, wie ein Gebäude aussieht. Das ist für uns als Planer extrem reizvoll.

Das bedeutet, auch die Abnahme erfolgt unter ganz anderen Voraussetzungen.

Genau. Es gibt die bauliche Abnahme, aber auch die Abnahme der Untersuchungen und Versuche, die in diesem Labor durchgeführt werden. Erst wenn der gentechnikrechtliche Antrag zur Forschung bestätigt ist, dürfen diese Hochtechnologiehäuser aktiv geschaltet werden.

Wie qualifiziert man sich für eine solche Bauaufgabe?

Durch jahrelange Praxis und Weiterbildung von Mitarbeitern.

Wie lief das bei Ihnen?

Susanne Gross hat 2002 den Wettbewerb in Hamburg für die Erweiterung des Bernhard-Nocht-Instituts über den städtebaulichen Entwurf auf einer schwierigen Parzelle gewonnen. Ich war als späterer Projektleiter am Wettbewerb beteiligt. Damals gab es noch keine Referenzen für S4-Labore in Deutschland. Wir mussten mit der Genehmigungsbehörde und den Wissenschaftlern die Vorschriftenlage dahingehend analysieren, wie das baulich aussehen könnte und wie es für ihre Arbeiten passt. Auch die TGA-Planer betraten damals absolutes Neuland, das erforderte auch enge Abstimmung. Die Erfahrung aus Hamburg konnten wir dann in Marburg anwenden. Das Marburger Sicherheitslabor steht ja „auf der freien Wiese“, man konnte ein idealtypisches Labor entwickeln, bei dem geometrische Formen die Arbeitsabläufe widerspiegeln.

Welchen Anteil haben Fachplaner an so einer Zusammenarbeit?

Die Hauptkosten liegen ganz klar und notwendigerweise in der technischen Gebäudeausrüstung, aber wir Architekten stehen nach wie vor führend und koordinierend in erster Reihe. Das verschiebt sich je nach Größenordnung bis hin zu 60 bis 70 Prozent TGA. Also eigentlich eine verkehrte Welt.

Mal salopp gefragt: Wäre es theoretisch denkbar, dass solche Bauten ganz ohne Architekten entstehen?
Würden Sie mir diese Frage auch zu unseren Hotelbauten stellen? Aber im Ernst: Wer einmal in diesen Räumen war, weiß, das sind schon besondere Arbeitsbedingungen. Im Vollschutzanzug, der auch eine starke Geräuschkulisse produziert, in einem zu Labor zu arbeiten – da muss sich jemand Gedanken darüber machen, wie das für die Wissenschaftler vernünftig funktionieren kann. Dafür braucht es unbedingt Architekten, auch was die räumlichen Zusammenhänge angeht.

Den Laborbauten, an denen Sie beteiligt waren, sieht man an, dass es einen gestalterischen Anspruch an die Bauaufgabe gab. Die Frage zielte auch dahin, inwiefern es dafür überhaupt Spielraum gibt.

Den Anspruch gibt es unbedingt! Wir bauen ja im öffentlichen Raum mit allen Anforderungen an Architekturqualität. Auch die Wissenschaftler haben bei beiden Häusern hohe Anforderungen daran gestellt. Da entsteht schließlich ihr Hauptarbeitsplatz, und die Bedingungen müssen entsprechend gut sein. Beim Marburger Labor hat uns der leitende Professor, der dort immer noch forscht und jüngst auch vermehrt zum Thema Corona in den Medien war, Elektronenmikroskopaufnahmen vom Marburg-Virus gegeben. Die haben wir dann als Rapport auf die Fassade gedruckt. Ich fand es schön, dass er auch auf diese Weise einen Beitrag zum Haus leisten wollte. Jetzt sieht man schon von außen, dass dort virologische Forschung betrieben wird.

Bei der Forschung in den Laboren gibt es sicherlich auch Dinge, die besser nicht ungefiltert an die Öffentlichkeit dringen sollten – unterliegen auch Bau und Planung einer gewissen Geheimhaltung?

Es gibt die Vorgabe der Vertraulichkeit. Eine Kommunikation darüber, wie Arbeitsprozesse im Einzelnen ablaufen, ist aus Sicherheitsgründen nicht erwünscht. Grundrisse werden Sie von uns daher nicht veröffentlicht sehen. Mit den Inhalten und Ergebnissen der Forschung will man allerdings ganz offen umgehen. Gerade in Hamburg ist man ja mitten im Kiez, unmittelbar neben der Reeperbahn wird mit Viren geforscht. Und das vermittelt die Öffentlichkeitsarbeit auch klar nach außen. Aber: Sicherere Bedingungen als bei diesen Gebäuden kann man sich gar nicht vorstellen. Dass brisante Forschung nur auf der grünen Wiese erfolgen soll, ist unsinnig. Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass aus einem dieser Labore irgendetwas entweicht.


 
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Eric Mertens, Geschäftsführer und Laborbauspezialist bei kister scheithauer gross

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Arbeiten im Vollschutz – hier im Hochsicherheitslabor der Philipps-Universität Marburg.

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Ebolaforschung an den Landungsbrücken – für das Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg realisierten ksg ihr erstes BSL-4 Labor.

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Der Neubau entstand auf einem schmalen Restgrundstück, gleich gegenüber:   Chipperfield‘s Empire Riverside Hotel.

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