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17.08.2018
O.M. Ungers’ Solarhaus
Ergebnisse eines Sommerseminars in Köln
Oswald Mathias Ungers und ökologische Architektur – das mag für viele erstmal eine überraschende Kombination sein. Dennoch hat Ungers 1980 ein Solarhaus entworfen, das bislang allerdings wenig Beachtung gefunden hat. Lars Fischer von der KU Leuven und Cornelia Escher von der Kunstakademie Düsseldorf nahmen das Projekt zum Ausgangspunkt, um mit Studierenden in einem Sommerseminar am Ungers Archiv für Architekturwissenschaft UAA in Köln neue Perspektiven auf Ungers zu gewinnen. Vor dem Hintergrund aktueller theoretischer Debatten zur Nachhaltigkeit lässt sich auch ein Blickwechsel wagen: Was passiert, wenn man die Diskussion um nachhaltige Architektur den Fragen der technologischen Messbarkeit entzieht? Gibt es eine Ästhetik der Nachhaltigkeit? Und wie lässt sich diese am Beispiel des Solarhauses nachvollziehen?
Von Cornelia Escher und Lars Fischer
Der Entwurf zum Solarhaus steht als ökologische Architektur zunächst singulär im Werk von Ungers. Er entstand im Rahmen der in den 1980er-Jahren virulenten Debatte um ökologische Architektur, die auf die Energiekrise des vorangegangenen Jahrzehnts folgte. Ungers entwarf das Haus als Beitrag zu einem Wettbewerb für das Baugebiet „Auf der Melkerei“ der Gemeinde Landstuhl. Der Wettbewerb verstand sich als Modellprojekt für Solarsiedlungen in der gesamten Bundesrepublik. Die Entwürfe sowie die Umsetzung wurden von der Fraunhofer-Gesellschaft evaluiert. Für das energetische Konzept des Hauses arbeitete Ungers mit dem Berliner Institut für Bau-, Umwelt-und Solartechnik (IBUS) zusammen.
Ungers trat mit einer speziellen Position an die Bauaufgabe heran. Seiner Auffassung nach sollte der Faktor Energie nicht von Bau- und Haustechnik abhängen, sondern als eigentlich architektonisches Problem, als integrativer Bestandteil des Entwurfs verstanden werden. Mit seiner geometrischen Formsprache distanzierte sich der Entwurf sowohl von der typischen Öko-Ästhetik der Zeit als auch von stärker technologisch geprägten Gestaltungsweisen.
Ziel des Sommerseminars in Köln war es, das Solarhaus in einer abschließenden Ausstellung neu zu betrachten und dabei exemplarisch die Frage nach der Ästhetik der Nachhaltigkeit zu stellen. Samuel Korn von der Universität Kassel und Kim Förster vom Centre Canadien d’Architecture CCA in Montreal verorteten das Haus zunächst in seinem historischen Kontext. Der ehemaliger Ungers-Mitarbeiter Gerardo Brown-Manrique von der Miami University berichtete anschließend über die Entstehung des Entwurfs. Entscheidend geprägt war der Workshop auch durch die permanente Auseinandersetzung mit dem Veranstaltungsort, dem berühmten Haus von Ungers aus dem Jahr 1959, das heute das Archiv dient und das die Bibliothek des Architekten enthält. Aus der Diskussion entstanden vier unterschiedliche Perspektiven auf das Solarhaus, die in der Ausstellung gezeigt wurden.
Viviane Bonfanti, Georgi Vlahov und Daehyun Wi analysierten das Haus als Manifest, als „Typus“ des Hauses im Haus, das unterschiedliche Temperaturzonen enthält. Sie verglichen es mit typologisch ähnlichen Konzepten wie dem südkoreanischen Bungalow und der Antivilla von Arno Brandlhuber.
Das Interesse von Yukie Beheim, Natasha Kurmashova und Tom Schoonjans galt der zeichnerischen Entwicklung des Entwurfs. Die Verwandlungen des Hauses mit den Jahreszeiten und Entwurfsstadien vollzogen sie anhand der Zeichnungen auf Transparentpapier als Prozess der Überlagerung nach.
Alessandro Cugola, Ines Sofia Raposo, Juliane Seehawer und Fien Werckx konzentrierten sich auf die Interaktion von Klima, Haus und Bewohnern. Dabei wurde die konkrete Erfahrung mit dem Haus Ungers während des Workshops in einen filmischen Dialog zu Ungers’ nicht realisiertem Konzept für das Solarhaus gesetzt.
Katarina Ambrosova und Lisbeth Decloedt setzten das Solarhaus in Bezug zu Ungers’ Entwurf für das Hotel Berlin (1976) und zu dem gemeinsam mit Rem Koolhaas verfassten Manifest „Die Stadt in der Stadt“ (1977). Ausgehend von einer Analyse von Text und Bild fragten sie nach der Rolle des Grüns bei Ungers und thematisierten mögliche gesellschaftliche Effekte.
Die Analysen der Studierenden und die Diskussionen während des Sommerseminars zeigten, dass Ungers’ Positionierung zur Nachhaltigkeit noch heute interessant ist, da sie den Blick für gestalterische Dimensionen des Themas öffnet und es für eine architektonische Auseinandersetzung fruchtbar macht. Eine zeitgemäße Ästhetik der Nachhaltigkeit, die soziale ebenso wie ökologische Faktoren integriert und erfahrbar macht, bleibt jedoch zu definieren.
Zum Thema:
Das Sommerseminar ist Auftakt einer jährlichen Veranstaltungsreihe. Hierzu wurde eine Webseite eingerichtet, die in Kürze mit Inhalten befüllt wird: www.negotiating-ungers.eu
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