Von der Straße aus ist zunächst nicht viel zu sehen: nur eine amöbenhafte, helle Betonplatte mit drei mittig sitzenden Öffnungen, die ein riesiges Erdloch auszufüllen scheint. Das Projekt, das der japanische Architekt Junya Ishigami mit seinem in Tokio ansässigen Büro für einen befreundeten Restaurantbesitzer in der Stadt Ube an der Südküste der Insel Honshu entworfen hat, entfaltet sich erst unterhalb dieses Deckels – hier jedoch umso weitläufiger. Der höhlenartige labyrinthische Bau umfasst eine Fläche von 195 Quadratmetern. Er beherbergt neben einem Restaurant im nördlichen Teil auch die nach Süden ausgerichteten Wohnräume für die Familie des Eigentümers.
Dieser wünschte sich für sein neues Lokal – in dem laut Selbstbeschreibung „authentische Küche“ serviert wird – ein Gebäude, das so bodenständig und roh wie möglich sein sollte. Keine glatten Oberflächen, kein modischer Schnickschnack. Vielmehr sollte es zeitlos sein und so aussehen, „als ob es schon immer da war und noch für sehr lange Zeit da sein wird“, wie es in einem Statement des Architekten für das japanische Architekturmagazin GA Houses heißt.
Das im Frühling fertiggestellte Bauwerk ist das Resultat eines längeren Prozesses, in dem Zufälle eine große Rolle spielten. Zunächst wurde ein Massemodell in 3D-Daten umgewandelt, anhand derer die Punkte bestimmt wurden, an denen Bauarbeiter*innen tiefe Erdlöcher gruben. Unvorhersehbare Faktoren wie einbrechender Boden oder Ungenauigkeiten bei der manuellen Arbeit wurden dabei so weit wie möglich integriert. Im Anschluss wurde das Gebilde mit Beton ausgegossen und nach dem Aushärten wiederum das umgebende Erdreich per Bagger abgetragen. Dabei entstand eine invertierte Figur des vorherigen Aushubs, die an Stalagmiten denken lässt.
Ursprünglich war nun geplant, den Schmutz zu entfernen, um die graue Betonstruktur zum Vorschein zu bringen. Architekt und Bauherr waren jedoch so begeistert vom Anblick der Schlammschicht in unterschiedlichen Erdtönen und ihrer haptischen Qualität, dass beschlossen wurde, sie zu belassen. Gehärtet wurde die Oberfläche mittels einer japanischen Methode, die eigentlich bei der Reparatur von Lehmmauern zum Einsatz kommt.
Transparente und transluzente Verglasungen fungieren als Außenwände und teilen die Räume untereinander ab. Drei üppig begrünte Innenhöfe schaffen zusätzliche Puffer zwischen öffentlichen und privaten Bereichen. Den Mittelpunkt des Restaurants bildet ein langer Betontisch; außerhalb der Öffnungszeiten wird der Raum von der Familie als Wohn- und Esszimmer genutzt. Küche und Badewanne wurden in den Betonsockel des Gebäudes eingelassen, ein weiteres extravagantes Raumdetail ist eine in den Boden versenkte Sofagrube.
Schon im niederländischen Park Vijversburg hatte Ishigami 2017 ein teils in die Erde abgesenktes Besucherzentrum in enger Verzahnung mit der umgebenden Landschaft realisiert. 2019 gestaltete er den Serpentine-Pavillon in London – oberirdisch, aber dennoch an eine Höhle erinnernd – mit schmalen Stützen, die ein teppichartiges Dach aus Schieferplatten tragen. (da)
Fotos: Yashiro Photo Office, Ikko Dobashi, maison owl, junya.ishigami+associates
Zum Thema:
Mehr zum Werk von Junya Ishigami gibt es in der Baunetzwoche#308.
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Baudichtungslaie | 17.10.2022 13:59 UhrTermitensiedlung invers / top down
Überraschend wohnlich anzuschau´n!
Ich wünsche viel Freude! (Und zu jeder Stund´
langes Leben dem Freihand-Glasrandverbund!)
Allein es bleibt zementschleierhaft,
warum man sich nicht zur Krönung aufrafft,
- will man schon den Bau oberirdisch negieren -
on "top" ihm ´ne Grasnarbe zu spendieren?