Auf diese Nachricht dürften Nürnberger Opernfreunde schon lange gewartet haben: Vor einer Woche hat sich der Stadtrat endlich zur Errichtung eines Operninterims entschlossen. Das nennt sich inzwischen zwar nicht mehr Interim, sondern Ergänzungsbau. Aber das Projekt bleibt die entscheidende Voraussetzung für den Beginn der Sanierung des alten Opernhauses. Dessen Betrieb ist schon seit Jahren nur noch unter Einschränkungen möglich. Und selbst die Überbrückung der Zeit bis zur Fertigstellung der Ausweichspielstätte, die für 2027 avisiert ist, stellt eine große Herausforderung dar. Zunächst sollte die Oper übergangsweise in einer geplanten Konzerthaus-Erweiterung der Meistersingerhalle unterkommen. Dieses Vorhaben wurde inzwischen allerdings komplett aufgegeben.
Ein Grund, warum die Entscheidung für das Interim so lange aufgeschoben wurde, hängt mit der Wahl des Standortes zusammen. Mit dem nun vorgestellten Projekt hat sich der Stadtrat nämlich für die umstrittene Lösung entschieden, den Ergänzungsbau im Rund des Kongresshallen-Torsos auf dem NS-Parteitagsgelände zu errichten. Dem vorausgegangen war 2022 ein Gutachterverfahren mit Büros wie BIG, Snøhetta oder gmp Architekten. Darauf folgte ein Vergabeverfahren für Architekturbüros im Team mit Totalunternehmern. Vier finale Gebote waren schließlich eingereicht worden.
Der nun beschlossene Entwurf für den Ergänzungsbau stammt von LRO (Stuttgart), die sich zusammen mit der Baugesellschaft Georg Reisch GmbH & Co. KG (Bad Saulgau) beworben hatten. Das Gespann aus Bauunternehmen und Architekturbüro war schon für den rundum erfolgreichen Bau des Münchner Volkstheaters verantwortlich. Das wurde 2021 noch unter dem 2023 verstorbenen Bürogründer Arno Lederer innerhalb des Zeit- und Kostenrahmens fertiggestellt.
Die Visualisierungen zeigen ein komplett überwachsenes Aufführungshaus mit Bühne und 800 Plätzen, das vor dem Rund der Halbruine selbst wie ein Bühnenbild wirkt. Die Erschließung erfolgt über den Torso, an den das Bühnenhaus mit zwei schlanken Glaskorridoren anschließen soll. Der Bestand nimmt Funktionen wie Büros, Proberäume und Werkstätten auf. Der Neubau soll vollständig reversibel ausgeführt werden. Allerdings dürften größere Eingriffe in den Bestand kaum zu vermeiden sein.
Der Standort wurde immer wieder kritisiert. Von einer Instrumentalisierung von Kultur war die Rede, aber auch von einer Beeinträchtigung des Gedenkorts mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände von Günther Domenig. Dazu gehört, dass das Operninterim zwar reversibel, aber aufgrund von Fördergeld-Vorgaben für einen Nutzungszeitraum von mindestens 25 Jahren ausgelegt sein wird. Nach Sanierung der Oper könnte dann die freie Szene der Stadt das Haus nutzen. Nicht wenige glauben, dass das Interim am Ende keineswegs zurückgebaut wird – zu Lasten des Denkmalschutzes.
Eine dauerhafte Nutzung würde auch zum Ausbau des Torsos als Kulturort passen, wie er ebenfalls vergangene Woche als Teil eines Gesamtpakts Kongresshalle vom Stadtrat beschlossen wurde. Neben der Oper sollen Räume für eine vielfältige kulturelle Nutzung entstehen und damit eine dauerhafte Aktivierung des Rundbaus gelingen. 7.000 Quadratmeter in vier Sektoren bieten dann Platz für Proben- und Aufführungsräume, Ateliers und Galerien sowie Vortragsräume und Flächen für Begegnung und Austausch. Insgesamt ist dafür ein Budget von rund 300 Millionen Euro vorgesehen, von denen 85 Millionen auf das Operninterim entfallen. Zwei Drittel des Geldes sollen von Bund, Freistaat Bayern und Europäischen Union kommen, der Rest von der Stadt.
Mit dem Beschluss findet eine vieljährige Diskussion um die Zukunft des Komplexes ihren vorläufigen Abschluss. Immer wieder gab es Initiativen insbesondere für kulturelle Nutzungen, so zuletzt im Vorfeld der schließlich erfolglosen Bewerbung Nürnbergs als Europäische Kulturhauptstadt 2025. Hierfür hatte der Leipziger Immobilienentwickler Bertram Schultze ein Konzept präsentiert. Davor war der Torso jahrzehntelang unter anderem als Lagerfläche des Quelle-Versandhauses genutzt worden. Schon heute gibt es mit dem Segment #1 einen Erprobungsraum für künftige kulturelle Nutzungen. Bereits seit 1963 nutzen die Nürnberger Symphoniker einen Teil des NS-Fragments. Zunächst unterhielten sie dort einen Probensaal, der 2008 auch für Aufführungen ausgebaut wurde. (sb)
Anm. d. Redaktion: Im Nachgang der Veröffentlichung stellte uns das Büro LRO weitere Pläne zur Verfügung, diese haben wir ergänzt.
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mr-arcgraph | 24.07.2024 17:23 Uhrweniger Bilderbuch
mehr Zeichnungen wären zur Beurteilung, wie stark der Zugang zum »Provisorium« in den Bestand eingreift, hilfreich. Der abgebildete Grundriß in der Detailtiefe eines Raumstempels ist ein Witz. Wo gibt es mehr zu erfahren, um die Für und Wider zu verstehen?