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14.09.2022

Die Verwaltung übernimmt

Entscheidung am Berliner Molkenmarkt


Kein Sieger am Molkenmarkt. So knapp kann man das Votum der Jury zum Abschluss des Werkstattverfahrens zur städtebaulichen Qualifizierung des Areals zwischen Nikolaiviertel, Rotem Rathaus und Altem Stadthaus zusammenfassen. Die Entscheidung sorgte auf der Pressekonferenz heute Mittag für einige Irritationen.

Von Gregor Harbusch

Mit großer Spannung war das Urteil des Preisgerichts erwartet worden. Immerhin schienen sich in dem Verfahren zwei konträre Projekte gegenüberzustehen, die den ältesten Stadtplatz Berlins – der heute vor allem eine unwirtliche Verkehrsschneise ist – zu einem gemischten, nachhaltigen und bezahlbaren Quartier machen sollen. Man erwarte „Antworten auf die Zukunftsfragen der Stadt“, wie Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt (hier im Interview) gleich zu Beginn betonte.

Auf der einen Seite steht das Projekt von Bernd Albers Gesellschaft von Architekten (Berlin) und Vogt Landschaftsarchitekten (Zürich), die unter besonderer Beobachtung standen, da der kürzlich früh verstorbene Albers viele Jahre mit Kahlfeldt in der Planungsgruppe Stadtkern zusammengearbeitet hatte. Auf der anderen Seite steht der Entwurf von OS arkitekter (Kopenhagen) und cka czyborra klingbeil architekturwerkstatt (Berlin), der vielen Beobachter*innen als der strukturell offenere und konzeptionell zeitgemäßere gilt.

Beide Teams waren Ende November letzten Jahres aus einem städtebaulichen Wettbewerb als Sieger hervorgegangen. Die Jury vergab damals zwei erste Preise. Die Büros gingen anschließend in ein öffentliches Werkstattverfahren. Dessen Auftakt Mitte Januar war zugleich der erste öffentliche Termin von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt, deren Berufung kurz vorher zu heftigen Diskussionen geführt hatte.

Die gestrige Sitzung des Preisgerichts unter Vorsitz von Christa Reicher markiert nun den Abschluss des Werkstattverfahrens. Ausführlich erläuterte Kahlfeldt auf der heutigen Pressekonferenz das bisherige Procedere. Sie betonte, wie wichtig der öffentliche Planungsprozess aus Sondierungsphase, Wettbewerb und Werkstattverfahren gewesen sei. Ebenso ausführlich berichtete Reicher über Themen und Empfehlungen des Preisgerichts – etwa von den Herausforderungen des öffentlichen Raums, vom gewünschten Erhalt des Bestandsgebäudes Klosterstraße 44, von fehlenden Fahrradabstellplätzen in beiden Entwürfen oder den Schwierigkeiten unterirdischer Ver- und Entsorgung.

Nachdem alle Beteiligten gesprochen hatten, machte sich leichte Verwunderung breit. Denn so viel man über Verfahren, geplante Machbarkeitsstudien und die nun anstehende „Charta Molkenmarkt“ erfahren hatte, so wenig war die Frage eines Gewinners oder einer Juryentscheidung im klassischen Sinne auch nur berührt worden. Auf Nachfrage legte Kahlfeldt mit Verweis auf die Auslobungsunterlagen dar, dass eine solche Entscheidung nie geplant gewesen sei. Von „Empfehlungen der Jury“ sei in der Auslobung die Rede. Explizit stehe dort auch, dass es keine Beauftragung geben werde. Sie gab zu, dass das Verfahren durchaus „ein bisschen ungewöhnlich“ sei, doch die Komplexität und Relevanz des Projekts an diesem speziellen Ort rechtfertige ein solches Vorgehen.

Die Zeichen stehen also auf Kooperation statt Konkurrenz. Das passt zu der Beobachtung vor Ort, dass sich die beiden Entwürfe durch die Überarbeitung in der Werkstattphase deutlich angenähert haben – auch wenn ihnen eine andere architektonische Haltung und ein anderes Verständnis von Stadt zu Grunde liegen mag, wie Reicher betonte.

Der Ball liegt nun bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. Sie wird die „Charta Molkenmarkt“ erarbeiten, auf deren Basis dann die hochbaulichen und freiräumlichen Wettbewerbe ausgelobt werden. Alle Erkenntnisse des bisherigen Verfahrens, die Empfehlungen der gestrigen Preisgerichtssitzung, aber auch die Resultate von einigen noch notwendigen Machbarkeitsstudien werden einfließen. Bis Ende des Jahres soll der erste Teil, bis Mitte 2023 der zweite Teil der Charta abgeschlossen werden. Zunächst wird es um einen städtebaulichen Rahmenplan gehen, danach soll ein Gestaltungshandbuch auch entscheidende Fragen der architektonischen Umsetzung festschreiben.

Die Charta wird durch den Senat beschlossen und dem Abgeordnetenhaus vorgelegt. Bis Ende des ersten Quartals 2024 könnten dann die Wettbewerbe initiiert werden, ab Mitte 2029 würde die Realisierung beginnen. Taktgeber des gesamten Verfahrens sei die Mittelalterarchäologie, betonte Kahlfeldt und konterte damit auch die Frage, ob man das Projekt nicht schneller vorantreiben könne. Bis 2025 werden die Archäolog*innen im Herzen der Stadt nach Resten des alten Berlins graben.


Video:



Video der gestreamten Abschlusspräsentation des Werkstattverfahrens Molkenmarkt vom 12.9.2022 (© Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen)

Zum Thema:

Ausführliche Informationen zur Geschichte des Molkenmarkt und den aktuellen Planungen findet man unter molkenmarkt.berlin.de.


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Lageplan von OS arkitekter (Kopenhagen) und cka czyborra klingbeil architekturwerkstatt (Berlin)

Lageplan von OS arkitekter (Kopenhagen) und cka czyborra klingbeil architekturwerkstatt (Berlin)

Grundriss Erdgschoss von OS arkitekter (Kopenhagen) und cka czyborra klingbeil architekturwerkstatt (Berlin)

Grundriss Erdgschoss von OS arkitekter (Kopenhagen) und cka czyborra klingbeil architekturwerkstatt (Berlin)

 Lageplan von Bernd Albers Gesellschaft von Architekten (Berlin) und Vogt Landschaftsarchitekten (Berlin)

Lageplan von Bernd Albers Gesellschaft von Architekten (Berlin) und Vogt Landschaftsarchitekten (Berlin)

Grudnriss Erdgeschoss von Bernd Albers Gesellschaft von Architekten (Berlin) und Vogt Landschaftsarchitekten (Berlin)

Grudnriss Erdgeschoss von Bernd Albers Gesellschaft von Architekten (Berlin) und Vogt Landschaftsarchitekten (Berlin)

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