Ellen Schindler ist CEO des niederländischen Büros De Zwarte Hond. Die von ihr gegründete Stiftung „Ken je Stad, Maak je Stadt“ (Kenne Deine Stadt, baue Deine Stadt), hat eine Graphic Novel über Rotterdam produziert, die alle Schüler*innen der Stadt beim Wechsel in die Oberstufe überreicht bekommen. Nächste Woche stellte sie ihr Projekt auf dem Baukulturkongress „Building Bildung“ in Gelsenkirchen (und online) vor.
Sie haben ein Buch zum Thema Mensch und Stadt erarbeitet, das im Februar nächsten Jahres an über 9.000 Schüler*innen Rotterdams verteilt wird. Was für ein Buch ist das und was soll es erreichen?
Unser Buch METRO O1O nimmt Sie mit auf eine Reise durch die Geschichte und in die Zukunft Rotterdams. In zwölf Kapiteln und fünf Zukunftsaussichten folgt Autor Abdelkader Benali den Spuren der Stadt. Die Geschichte zeigt, dass Rotterdam nicht in einem Moment von einer Person geschaffen wurde, sondern im Laufe der Jahrhunderte von vielen. Diese Schlussfolgerung ist auch ein Aufruf zum Handeln. Das Buch zeigt auf inspirierende Weise, wie man die Entwicklung der eigenen Straße, des Stadtteils, der Stadt beeinflussen kann. Ein Team von fast vierzig Rotterdamer*innen hat über ein Jahr lang an der Graphic Novel gearbeitet, die im Februar kostenlos an die Schüler*innen verteilt wird, zusammen mit Unterrichtsmaterial, das in verschiedenen Fächern verwendet werden kann. Die Dringlichkeit, Städte zu transformieren, nimmt zu. Alles muss schneller gehen als bisher, der Druck auf die Bewohner*innen der Stadt steigt. Stadtentwicklung wird oft als komplex empfunden und steht für viele Menschen nicht im Vordergrund. Es besteht daher die Gefahr, dass keine Verbindung mehr zu den Einwohner*innen einer Stadt besteht. METRO O1O leistet einen wertvollen Beitrag zum Gespräch über die Identität der Stadt und spricht Themen an, mit denen sich alle identifizieren können.
Die Niederlande gelten in Sachen Gestaltung und Architektur vielen als Vorbild. Wie sieht es im Bereich baukultureller Bildung aus?
Rotterdam nennt sich Architecture City. Darüber besteht ein ziemlicher Konsens, aber was das genau bedeutet, ist nicht immer klar. Sind es die Gebäude, geht es um die Stadt, geht es um die kulturellen Aktivitäten, ist es das Interesse oder die Präsenz vieler und guter Entwerfer*innen? Auf jeden Fall ist Rotterdam die einzige niederländische Stadt mit einer erklärten Architekturpolitik. Kulturelle Bildung im Bereich Architektur ist dort bemerkenswerterweise nebensächlich und noch in der Entwicklung. Dazu leistet unsere Graphic Novel einen großen Beitrag. Die Stadt erwartet, dass dies auch die Aufmerksamkeit auf komplexere Projekte lenkt.
Welche Bildungsstrategien fordern sie, um Kindern und Jugendlichen ein Verständnis für Klimawandel, Stadtentwicklung und Architektur nahezubringen?
Unser Projekt ist breiter angelegt als ein reguläres Bildungsprojekt. Es ist eher ein Kulturprojekt und beantwortet vor allem die Fragen von Studienanfänger*innen zur Stadt, ihren Bewohner*innen, ihrer Geschichte und Zukunft. Das Buch spannt eine große Leinwand auf. Es gibt der Fantasie Raum und fordert zum Forschen und Nachdenken auf. Es soll Spaß machen, nach Antworten zu suchen. In dieser Form kommt es der Wahrnehmung der Zielgruppe nahe.
Die Fragen stellte Lena Beetz.
Zum Thema:
Auf dem Baukulturkongress „Building Bildung“ stellt Ellen Schindler am Donnerstag, 17. November 2022 das Buchprojekt vor. Anschließend führt sie zusammen mit Kathrin Siebert, Anke Leitzgen und Dominique Macri eine Diskussion zu den Instrumenten der Baukultur in der Bildung.
Die Teilnahme am Kongress ist kostenfrei. Der gesamte Kongress kann im Livestream mitverfolgt werden. Anmeldungen für Präsenzteilnahme werden auf der Webseite entgegengenommen. BauNetz ist Medienpartner des Kongresses.