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18.10.2022

Vorhang auf in Zürich-Altstetten

Eishockey-Arena von Caruso St John


Nirgendwo sonst in Zürich wird das Wachstum der Stadt so offensichtlich wie in Altstetten. Zahlreiche Wohnbauten verändern das Gesicht des Quartiers, das von Bahnanlagen geprägt wird. Direkt an den Gleisen liegt auch die neue Eishockey-Arena von Caruso St John, in der heute Abend das erste offizielle Spiel stattfindet.

Von Dorit Schneider-Maas

Die Swiss Life Arena ist die neue Heimstätte der ZSC Lions. Sie liegt in der Vulkanstrasse, deren Name an die Werkhallen der Automobil- und Motorbootfabrik Vulcan AG erinnert, die hier Ende des 19. Jahrhunderts entlang der Bahngleise errichtet und in den 1980er Jahren abgebrochen wurden. Mit Arealen in Schienennähe und ehemals industriell genutzten Gebieten kennt sich das in Zürich und London ansässige Büro Caruso St John inzwischen gut aus. Ihr erstes Zürcher Projekt etwa liegt ebenfalls auf einem Gelände der Schweizerischen Bundesbahnen SSB, und ihr eigenes Büro befindet sich im ehemaligen Industriequartier Binz.

Die Fakten des  kürzlich fertiggestellten Sportbaus, der nicht nur das neue Zuhause des Eishockeyclubs ZSC Lions ist, sondern auch für andere (Sport-)veranstaltungen oder Corporate Events genutzt werden kann, sind schnell zusammengefasst: 13 Jahre Planung, dreieinhalb Jahre Bauzeit, 31.500 Quadratmeter Nutzfläche, 207 Millionen Schweizer Franken Baukosten. Platz ist in der Arena für 12.000 Fans, die Logen können über 1.200 Gäste aufnehmen. Konstruktiv handelt es sich um einen Stahlbetonbau mit 170 Metern Länge, 110 Metern Breite und 33 Metern Höhe.

Gestalterisch unterscheidet sich die Swiss Life Arena, die aus einem 2013 ausgerichteten Wettbewerb hervorgegangen ist, deutlich von vergleichbaren Stadien. Bereits das Betreten des Geländes und der Arena ist etwas Besonderes. Der Haupteingang befindet sich nicht an einer der repräsentativen Fassaden in Richtung Bahn oder Straße, sondern an der Seite – direkt neben einem Kleingartenverein. Die Schrebergärten passen gut zu dem urbanen, kleinmaßstäblichen Konzept, das die Architekt*innen betont wissen wollen. Mehrfach wiederholt Adam Caruso anlässlich des Medienrundgangs letzte Woche die Worte „civic“ und „public“. Damit meint er vor allem Maßstab, Ausrichtung und Gestaltung der Arena, aber auch die Materialwahl. Man solle sich eben nicht wie auf einem Flughafen fühlen.

Auch die Kolonnaden an den Längsseiten des Gebäudes tragen dazu bei, dass der Eingang nicht ganz so wuchtig erscheint, wie es sonst oft bei Stadien der Fall ist. Ganz besonders aber unterstreicht die Fassade – ein in Beton gegossener Vorhang – den fast schon subtilen Charakter des Projekts. Die Gestaltung solle man freilich nicht zu ernst nehmen, so Caruso. Damit verweist er auf eine gewisse Verspieltheit, die der Vorhangfassade innewohnt und die Arbeitsweise des Büros exemplarisch widerspiegelt, das oft auf kunst- und architekturhistorische Vorbilder als Inspirationsquelle zurückgreift.

Das Wort „Vorhang“ ist in diesem Fall wortwörtlich zu verstehen, denn es handelt sich um eine aus Beton gegossene, textil anmutende Gebäudehülle, die sich aus mehr als 200 Teilen zusammensetzt. Die größten Abschnitte sind 21,70 Meter lang und 11,59 Meter hoch. Bullaugenfenster, um die sich die textil erscheinenden Fassadenelemente schmiegen, unterstreichen die Idee des Vorhangs zusätzlich.

Die Arena wurde gegenüber der eigentlich naheliegenden Anordnung um 90 Grad gedreht, sodass weitere Nutzungen links und rechts des Baukörpers möglich wurden. Laut Michael Schneider, der zusammen mit Florian Zierer das Büro in Zürich leitet, war dies einer der wesentlichen Punkte, der den Entwurf von denen der Mitbewerber*innen unterschied. Die Tribüne ist mit 30 Metern Höhe sehr steil. Damit habe man nicht nur eine gute Sicht von jedem Platz aus, sondern erzeuge auch die gewünschte „Hexenkessel-Atmosphäre“, erklärt Peter Zahner, CEO der ZSC Lions AG.

Nachhaltigkeit ist nicht unbedingt die erste Assoziation, die einem bei den Stichworten Eishockey, Stadion und Betonfassade in den Sinn kommen mag. Dennoch lässt sich das Energiekonzept durchaus sehen: Das Stadion wurde an das Netz des Energieverbunds Altstetten und Höngg angeschlossen, das bis zu 30.000 Haushalte mit Wärme beliefern wird. Dabei erhalten die umliegenden Bürogebäude Klimakälte aus der Arena, während die Abwärme aus der Eisproduktion lokal und für den Fernwärmeverbund genutzt wird. Der Strom für die Arena stammt aus erneuerbaren Quellen und wird zum Teil durch eine auf dem Dach installierte Photovoltaikanlage generiert. Die Betonfassade, die schlanker als ursprünglich geplant wurde, ließ man vor Ort herstellen, sodass zumindest lange Transportwege entfielen. In Zeiten des Klimawandels stellt sich allerdings die Frage, ob man aus heutiger Sicht nicht ein komplett anderes Fassadensystem hätte wählen sollen.

Fotos: Philip Heckhausen


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