Mit 38.000 Einwohner ist das Fürstentum Liechtenstein der sechstkleinste Staat der Welt. Die Landesgrenze misst gerade einmal 76 km. Im ältesten Teil von Balzers, mit 4.500 Einwohnern die viertgößte Gemeinde des Landes, hat das junge Zürcher Büro Schneider Türtscher einen Ersatzneubau für ein Wohnhaus aus den 1950er Jahren realisiert. Das alte Gebäude genügte aufgrund seiner Raumaufteilung und bauphysikalischen Defiziten nicht mehr den Ansprüchen der Bauherrschaft.
Das neue Wohnhaus rückt nun näher an die Ecke des Hanggrundstücks heran und bildet so eine Platzsituation mit dem Brunnen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Neben der feinsinnigen Gestaltung war der Anspruch der Architekten auch die richtige Positionierung des Ersatzbaus im gewachsenen Ortsbild: Das Haus nimmt Bezug auf den traditionellen Balzer Haustyp und übersetzt dessen typische Parameter ins Heute. Die kubische Volumetrie der weiß gekalkten Fassade löst sich bei genauerer Betrachtung in einzelne Flächen auf. Die äußeren Schalen der Giebelseiten sind vor Ort betoniert, die Abdrücke der Schalung bleiben sichtbar. Die Trauffassaden sind zweischalig gemauert und anschliessend verputzt. Über das ganze Haus verteilt finden sich verspielte Eingriffe in die Fassade, wie etwa die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen des Putzes an den Giebeln und Traufseiten, in der Fläche und bei den Fensterlaibungen, die Ausbuchtungen um die Lampen, oder die schräg gestellte Säule der Veranda.
Auch im Innenraum fällt der liebevolle Umgang mit den Materialien ins Auge. Einbauten wie eine Bank mit Stauraum in den Eckfenstern oder die auf die Spitze gestellte Beleuchtung im Treppenhaus zeigen, dass die Architekt*innen offenbar viel Freude bei der Planung hatten. Und die überträgt sich ganz sicher auch auf die neuen Bewohner. Aktuell werden die 230 Quadratmeter Wohnfläche im Haus von einer fünfköpfigen Familie genutzt, die Gartenwohnung im Untergeschoß ließe sich auch als separate Einheit abkoppeln. (tl)
Fotos: Johanna Muther
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also | 30.09.2019 19:12 Uhrfür mich
hohe Kunst, ganz toll, Märkli im Rücken. Weit weg davon, dass irgendwer in DE tektonisch gekonnt Fassade und Innenraum zusammen in Spannung setzt. Also ich bin beeindruckt