Das Büro BLAF Architecten (Lokeren) hat sich auf eine sehr belgische Art von Einfamilienhäusern spezialisiert, die für das ungeübte Auge mitunter etwas herb und unfertig wirken können. In Ternat entstand beispielsweise ein Haus über dreieckigem Grundriss, in Mechelen ein provozierend „dreckig“ materialisiertes Familiendomizil. In einem Wort ließe sich vielleicht von „Einfamilienhausbrutalismus“ sprechen.
BLAF selbst sprechen von „intelligenten Ruinen“, die einen eigenständigen Charakter mitbringen, als wären sie bereits mehrfach umgebaut worden. So sollen die Häuser zur Aneignung anregen. Selten brauchen die Architekt*innen dabei mehr als Beton, Ziegel und Holz als Oberflächenmaterial, innen wie außen. Durch Verschiebung und Überlagerung von Grundformen ergeben sich räumlich komplexe, vieleckige und oft skulpturale Gebilde. Das jüngst fertig gestellte Projekt im ländlichen Zoersel östlich von Antwerpen ist ein gutes Beispiel.
Auf einem kleinen Grundstück an einer unauffälligen Straße am Rande der Kleinstadt ließ sich eine junge Familie mit zwei Kindern ein Haus entwerfen. BLAF legten zuerst mit einem Quadrat aus Betonstützen – Kantenlänge 13 Meter – einen Wohnbereich fest. Die Betonstützen werden von einem auffälligen, zwei Meter hohen Ringanker aus Betonfertigteilen gefasst, der die leicht geneigten Dächer der verschiedenen Wohnräume verbirgt. Im Inneren dieser robusten Grundfigur liegen die Wohnräume um 45 Grad verdreht und orientieren sich deshalb streng nach Norden und Süden. So entstehen allerlei Winkel, die als Terrassen und offene Freiräume ausgebildet werden, so dass die Landschaft in das strenge Quadrat hinein gezogen wird.
Zusätzliche Komplexität erreicht das Haus dadurch, dass BLAF das leichte Gefälle des Grundstücks nutzten, um nach Norden mit einem Split-Level zu arbeiten. Vom Essbereich zwischen Küche und Elternschlafzimmer führt eine kleine, weiß gestrichene Metallleiter hinauf zum 1,65 Meter erhöhten Wohnzimmer, das zur Linken wie zur Rechten eine kleine Terrasse neben sich hat. Unter das Wohnzimmer wurden die zwei schmalen Kinderzimmer geschoben; sie liegen 1,16 Meter tiefer als das Erdgeschoss zur Straße. Die offenen Sichtverbindungen der Ebenen laufen im Essbereich zusammen und gehen durch die Räume nach allen Seiten hinaus in die Landschaft. So wirkt das Haus deutlich größer und offener als die 200 Quadratmeter Wohnraum, die es bietet.
Nach Nordosten liegen eine Holzterrasse um ein kleiner Pool. Die Lichtreflektionen sorgen für angenehme Helligkeit im Untergeschoss. Nach Nordwesten gibt es einen Garten mit wilden Kräutern und Sträuchern, der sich mit den angrenzenden Feldern verbindet. Eine weitere Grundstücksabgrenzung in Form von Zäunen, Mauern oder Hecken fanden die Architekten unnötig. (fh)
Fotos: Stijn Bollaert
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werker | 06.10.2022 10:57 UhrCharmant
Sehr charmantes Projekt und ausgesprochen belgisch indeed. Man muss an dieser Stelle auch den Baunetz Text loben - der erste Satz trifft es genau.