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30.09.2020

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Buchtipp: Charlotte Perriand

Eine französische Architektin in Japan 1940-1942


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Die französische Innenarchitektin Charlotte Perriand (1903–99) gehört zweifellos zu jenen Frauen, deren Leben genügend Stoff für einen feinen Film hergeben würde – allerdings bitte nicht als „Bauhausfrau“. Sie studierte in Paris und begann schon während des Studiums, eigene Entwürfe umzusetzen. Le Corbusier stellte sie in seinem Atelier ein, nachdem er ihre „Bar unterm Dach“ aus Kupfer und Aluminium gesehen hatte, die 1927 beim Salon d’Autonome präsentiert wurde. Daraus wurde eine über zehnjährige, intensive Zusammenarbeit, bei der Perriand rasch für die meisten Möbel- und Innenraumentwürfe maßgeblich verantwortlich war.

1940 folgte Perriand einer Einladung als Beraterin des Handelsministeriums nach Japan. Nach Paris kehrte sie 1946 zurück, um selbständig, aber oft in Kooperationen mit Le Corbusier, Jean Prouvé oder Georges Blanchon zu arbeiten. Sie war unter anderem verantwortlich für die Innenausstattung der Unite d‘’Habitation in Marseille und für das Haus der Vereinten Nationen in Genf. Außerdem entwarf sie Möbelserien für sozialen Wohnungsbau, Ferien- und Studentenhäuser sowie für den Wintersportort Les Arcs.

Ihre maßgebende Rolle als vielseitige Gestalterin und im Atelier von Le Corbusier blieb lange (zu) wenig beachtet, bevor in den 2000er Jahren die Wiederentdeckung von Perriands eigenständigem Werk begann. Zum zwanzigsten Todestag 2019 gab es eine große Werkschau in der Fondation Louis Vuitton und einige Publikationen, die nun teilweise auch auf Deutsch erscheinen – so wie die Graphic Novel von Charles Berberian.

Berberian konzentriert sich auf die zwei Jahre in Japan. Die Geschichte beginnt mit dem Abschied vom so dünnen wie wortkargen Le Corbusier und folgt der alleinstehenden Frau über die Schiffsreise ins ferne Japan, in einer Welt voller Männer, was Berberian aber zum Glück nicht zu seinem Hauptthema macht. Ihn interessiert der aufgeschlossene, mutige Charakter Perriands, die sich, ungeachtet ihres Geschlechts und gesellschaftlicher Konventionen, in Japan für die traditionelle Handwerkskunst interessiert. In dieser findet die Französin Ideen der europäischen Moderne wieder, sie sieht sie aber auch vom Aussterben bedroht und versucht sie in ihrer Funktion als Beraterin der Regierung zu fördern.

Begleitet wird Perriand dabei nicht nur vom gleichaltrigen Architekten Junzō Sakakura – der bei Le Corbusier gearbeitet und Perriand nach Japan empfohlen hatte, und der als ein Architekt gilt, der die westliche Moderne nach Fernost brachte –, sondern auch von inneren Selbstzweifeln in Gestalt eines mürrischen Raben mit Corbusier-Brille, der ihr alle paar Seiten sagt, dass sie es zu nichts bringen werde. Kroah, kroah.

Berberian ist ein flottes Buch gelungen, das bei aller freien Dramaturgie doch hauptsächlich an den dokumentierten Wahrheiten bleibt – von der legendären Geschichte, Le Corbusier habe die junge Perriand im Atelier mit den Worten begrüßt „Wir sticken doch hier keine Sofakissen“ bis zum großen Erfolg ihrer Ausstellung mit Produkten japanischer Handwerker 1941 in Tokio.

Der Wermutstropfen: Die Geschichte endet ausgesprochen abrupt nach 55 Seiten, bevor im Anhang ein ausführliches Gespräch mit der Tochter Pernette Perriand folgt, die 1943 in Vietnam zur Welt kam. Das Interview bettet die kurze Geschichte gut in das Leben Perriands ein. Was bleibt, ist der Wunsch, der Geschichte noch länger zu folgen. Nun, der erwünschte Film muss eben noch gedreht werden – oder besser gleich eine gut gemachte Serie. Netflix, heißt es, ist doch immer auf der Suche nach guten Stoffen. Dies ist einer.

Text: Florian Heilmeyer


Charlotte Perriand. Eine französische Architektin in Japan 1940-1942

Charles Berberian
112 Seiten
Reprodukt, Berlin 2020
ISBN 978-3-95640-234-0
20 Euro


 
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