RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Eine_Berliner_Versuchsanordnung_9869486.html

19.03.2025

Zurück zur Meldung

Buchtipp: Mäusebunker und Hygieneinstitut

Eine Berliner Versuchsanordnung


Meldung einblenden

Wie ist eigentlich der Stand der Dinge beim Mäusebunker? Immerhin waren die ehemaligen Zentralen Tierversuchslaboratorien der Freien Universität im Südwesten Berlins vor einigen Jahren in aller Munde. Der Abriss des spektakulären, brutalistischen Kolosses stand im Raum, Denkmalaktivisten lancierten eine Petition, es wurde viel diskutiert, und schließlich startete das Landesdenkmalamt 2021 ein aufwändiges Modellverfahren Mäusebunker. Im letzten Jahr endete das Verfahren – dem wir auch eine BauNetz WOCHE widmeten – mit einem Abschlussbericht.

Jetzt prüft die Berliner Verwaltung die „Rahmenbedingungen für eine Konzeptvergabe“ für die leerstehende Immobilie in Landesbesitz, erklärt Landeskonservator Christoph Rauhut auf Nachfrage. So eine Prüfung kann dauern. Fans des Hauses können sich derweil die Zeit mit dem eben erschienenen Buch Mäusebunker und Hygieneinstitut. Eine Berliner Versuchsanordnung vertreiben. Herausgeben wurde es von Architekt Ludwig Heimbach, der zu den oben genannten Aktivisten gezählt werden darf und im Herbst 2020 mit einer Ausstellung in der Berliner BDA Galerie Aufmerksamkeit für das Gebäude schuf.

Der Titel erinnert daran, dass der 1967–81 von Gerd und Magdalena Hänska errichtete Mäusebunker über einen nicht minder prominenten Nachbarn verfügt: das Institut für Hygiene und Mikrobiologie (heute: Institut für Hygiene und Umweltmedizin) des Architektenduos Fehling+Gogel aus den Jahren 1966–74. Darauf, dass das Hygieneinstitut herausragende Architektur ist, kann man sich schnell einigen. Wirklich gefährdet war der Bau deshalb nie, obwohl auch sein Abriss anfänglich kolportiert wurde.

Beim Mäusebunker ist das anders. Denn der wuchtige Betonkoloss kommuniziert im Sinne einer architecture parlante, dass hier eine hermetische Innenwelt geschaffen wurde, deren Details die Öffentlichkeit nichts angehen – Besucher*innen unerwünscht. Letztlich handelt es sich hier um eine hochtechnisierte Komposition aus Laboren und komplett abgeschotteten Stallungen für Tausende Versuchstiere, von der Ratte bis zum Schwein.

In Heimbachs einleitendem Text, der sich als schnelle und kurvenreiche Tour de Force liest, die Bezüge vom Alten Testament bis Donald Trump herstellt, findet man dementsprechend Gedanken von der „Ugly Beauty“ des Mäusebunkers über den „überbewerteten Außenbezug“ bis zur Idee eines „Katharsis-Objekts“. Dass sich unser Blick auf diese Art von dystopisch wirkenden Architekturen und ihre Innenräume seit der Corona-Pandemie fundamental verschoben hat, gehört zu den interessanten Nebenerkenntnissen, die sich beim Lesen dieses Buches einstellen.

Doch was findet sich eigentlich auf den 408 Seiten? Fast möchte man meinen, dass hier eigentlich alles kompakt verfügbar gemacht wurde, was es an Material zu den beiden Bauten gibt und was man aktuell zu ihnen sagen kann: historisch einordnende Texte, unfassbar viel wunderbares Plan- und Fotomaterial, Debattenbeiträge entscheidender Akteure sowie künstlerische Arbeiten zum Mäusebunker  – darunter auch einige spekulative Ansätze. Denn während das Hygieneinstitut auch weiterhin von der Charité genutzt werden soll, ist die Zukunft der ehemaligen Tierversuchslaboratorien weiter offen. Wie gesagt: Rahmenbedingungen werden geprüft …

Text: Gregor Harbusch


Mäusebunker und Hygieneinstitut. Eine Berliner Versuchsanordnung
Ludwig Heimbach (Hg.)
408 Seiten
Jovis Verlag, Berlin 2025
ISBN 978-3-98612-029-0
42 Euro

Das Buch ist auch auf Englisch und als E-Book erhältlich.



Zum Thema:

Am Mittwoch, 9. April 2025 um 19 Uhr stellt Ludwig Heimbach die Publikation bei Aedes in Berlin vor. Im Anschluss folgt eine Podiumsdiskussion mit Christoph Rauhut, Elisabeth Endres (Landesdenkmalrat Berlin), Kay Fingerle und Jan Krause (Deutscher Werkbund). Um Anmeldung wird gebeten.


Auf Karte zeigen:
Google Maps


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

3

Jan | 21.03.2025 13:51 Uhr

Kraft

Die Bauten haben ihre eigene Kraft und Schönheit.
Solch außergewöhnliche Architektur sollte man nicht mit der Wirtschaftlichkeitsbrille betrachten. Es kommt ja auch niemand auf die Idee das Centre Pompidou abzureißen "weil die Betriebskosten so hoch sind".

Gutes kostet, das war schon immer so. Und wir als Gesellschaft sollten uns ab und an was Gutes gönnen.

2

Architektfund | 20.03.2025 13:34 Uhr

Stagnation mit Denkmalschutz

Das Hygieneinstitut kann man noch als gefällig und wiederverwendbar bezeichnen. Wobei die Fenster mit ihren komischen Metallvorhängen qualitativ einfach nicht zum Rest des Gebäudes passen.

Der Mäusebunker dagegen ist einer der originalen West-Berliner Baukatastrophen, analog zum ICC. Vervielfachung der Baukosten, extreme Betriebskosten, dann zu teuer zum weiternutzen oder umbauen oder abreißen. Der Denkmalschutz macht die Sache auch nicht einfacher. Trotz aller "Modellverfahren" mit ihren modischen Beschwörungsformeln werden letztlich die praktischen Faktoren dazu führen, dass der Bunker für die nächsten Jahrzehnte als große Pyramide von Steglitz-Zehlendorf herumstehen wird. Niemand hat genug Zeit, Geld und Nerven, um das Ding umzubauen. Der Masterplan sieht inzwischen Neubauten auf dem Rest des Campus vor. Im Sinne der Erhaltung und Senkung der Kosten wäre es noch gut alle Fenster und Türen zuzumauern.

1

Arcseyler | 20.03.2025 11:10 Uhr

.www

Dieser technoide Stil des Mäusebunkers wie auch das ICC und das Centre Pompidou, hier bis zum Horror gesteigert. Gebäude als Gerät, auch eine Form follows function. Das hat auch Kraft, ist irgendwie expressiv bis postmodern. Läuft schon von Anfang an ganz neben der Architekturdebatte als Paria. Vielleicht Pop-Art. Ein Gerät ins Gigantische gezoomt. Die Menschen als Liliputaner darin. Also doch zeitgemäß modern.

 
Mein Kommentar
Name*:
Betreff*:
Kommentar*:
E-Mail*:

(wird nicht veröffentlicht)

Zur Durchführung dieses Service werden Ihre Daten gespeichert. Sie werden nicht an Dritte weitergegeben! Näheres erläutern die Hinweise zum Datenschutz.


Die Eingabe einer E-Mail-Adresse ist zwingend, um einen Kommentar veröffentlichen zu können. Die E-Mail ist jedoch nur durch die Redaktion einsehbar und wird nicht veröffentlicht!


Ihre Kommentare werden nicht sofort veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.



Die ehemaligen Zentralen Tierlaboratorien der Freien Universität – genannt Mäusebunker – von Gerd und Magdalena Hänska (1967–81) im Jahr 2020

Die ehemaligen Zentralen Tierlaboratorien der Freien Universität – genannt Mäusebunker – von Gerd und Magdalena Hänska (1967–81) im Jahr 2020

Das Institut für Hygiene und Mikrobiologie (heute: Institut für Hygiene und Umweltmedizin) aus den Jahren 1966–74 von Fehling+Gogel im Jahr 2020

Das Institut für Hygiene und Mikrobiologie (heute: Institut für Hygiene und Umweltmedizin) aus den Jahren 1966–74 von Fehling+Gogel im Jahr 2020

Entwurfsmodell des Hygieneinstituts von Fehling+Gogel

Entwurfsmodell des Hygieneinstituts von Fehling+Gogel

Aktuelle Farbanalyse Ludwig Heimbachs von Mäusebunker und Hygieneinstitut

Aktuelle Farbanalyse Ludwig Heimbachs von Mäusebunker und Hygieneinstitut

Bildergalerie ansehen: 13 Bilder

Alle Meldungen

<

19.03.2025

Neuorientierung für das Stadttheater

Studio PFP, MOW und Fabre Speller gewinnen in Trier

19.03.2025

Herman Hertzberger und der Strukturalismus

BDA-Gesprächsabend in München

>
BauNetzwoche
Muss das wirklich weg?
baunetz CAMPUS
Sweat.Delft
BauNetz Wissen
Turmbau zu Berlin
baunetz interior|design
White Cube meets Colour Blocking
vgwort