Von Nadin Heinich
„Pessimism doesn’t make Expos: the model is Star Trek, not Blade Runner.“ – so der Historiker Paul Greenhalgh in uncube Nr. 32 über das Phänomen „Expo“. Läuft man den zentralen Boulevard der diesjährigen Expo in Mailand entlang, fällt es schwer, irgendeine wesentliche Botschaft zu erkennen. Der Titel lautet „Energy for Life. Feeding the Planet.“ Eine kritische Auseinandersetzung mit Themen wie der weltweiten Nahrungsmittelproduktion, den Folgen intensiver Landwirtschaft oder gar mutige Zukunftsvisionen entdeckt man höchst selten – stattdessen eine Mischung aus Grüner Woche, Naturkundemuseum und Tourismusbüro. Die meisten Pavillons sind harmlos und tun niemandem weh. Überraschend aus architektonischer Sicht sind die wenigsten.
Eigentlich sollte in Mailand alles ganz anders werden als bei den vorangegangenen Weltausstellungen. Keine spektakulären Soloshows einzelner Länder, die sich mit der Größe ihrer Pavillons gegenseitig zu überbieten suchten. Herzog & de Meuron hatten gemeinsam mit Stefano Boeri, Ricky Burdett und William McDonough einen konzeptionellen Masterplan entwickelt, der ein orthogonales Rastersystem mit zwei Hauptachsen vorsah und das Gelände in lange, schmale Parzellen aufteilte. Alle Länder sollten auf gleich großen Grundstücken ihre nationalen Agrarlandschaften und Gärten in einfachen, von den Organisatoren zur Verfügung gestellten Pavillonstrukturen präsentieren. Inhalt statt Größe. Doch Herzog & de Meuron stiegen 2011 aus, der Masterplan wurde nur als formales Muster übernommen, nicht als intellektuelles Konzept.
Der beste Pavillon ist der von Österreich. „breathe.austria“ ist weit mehr als nur ein Wald im Pavillon, sondern eine „technisch erweiterte Landschaft“. Der österreichische Beitrag kommt so als einziger auf dem gesamten Gelände ohne Klimaanlage aus. Seine architektonische Stärke zieht breathe.austria unter anderem daraus, dass hier nicht eine wild gestaltete Hülle mit irgendwelchen Displays und Verkaufsständen vollgestellt wurde – der Pavillon selbst ist die Ausstellung. Auch „Archaeologies of Green“, der Beitrag von Bahrain, überzeugt. Der niederländische Architekt Anne Holtrop und die Landschaftsarchitektin Anouk Vogel haben eine poetische Landschaft aus zehn, für Bahrain charakteristische Obstgärten entworfen, die während der nächsten sechs Monate nacheinander Früchte tragen werden. Eingebettet in diese Gärten sind Ausstellungsräume mit archäologischen Artefakten. Die Idee des Pavillons als sinnlich-kontemplative Landschaft wird immer wieder aufgegriffen, so auch im polnischen Beitrag von 2pm Architekci, dessen verspiegelten Garten im Obergeschoss man von außen gar nicht vermutet.
Das Interessanteste im russischen Pavillon, entworfen von Sergei Tchoban, ist eine Ausstellung über den russischen Botaniker und Genetiker Nikolai Wawilow, unter dessen Leitung in Sankt Petersburg Anfang des 20. Jahrhunderts die derzeit größte Sammlung von Kulturpflanzen aufgebaut wurde. Bei den Briten dreht sich alles um die Biene und ihre Rolle im globalen Ökosystem. Entwickelt wurde der Pavillon von dem in Nottingham lebenden Künstler Wolfgang Buttress. Das räumliche Konzept der markanten Aluminiumkonstruktion – leuchtend bei Nacht sieht sie interessanter aus, als bei Tag – ist von einem Bienenstock inspiriert. Aber bei der Form bleibt es dann auch. Brasiliens riesige Netzkonstruktion, die man hinauf oder hinterklettern kann, ist als physische Herausforderung ganz unterhaltsam. Und bei den Niederländern kann man an lustigen Ständen vor allem Essen kaufen, Hot Dogs, Fleischbällchen, Wurtsbrote, Pancakes etc. Dazu läuft laute Musik. Eine architektonische Idee fehlt hier vollkommen. Aber starke Ideen sind es, die eine Expo braucht, will sie als Großereignis relevant bleiben und nicht, wie die olympischen Spiele, immer häufiger in diktatorische Länder abwandern. Die nächste Expo findet 2017 in Kasachstan statt.
Zum Thema:
www.expo2015.org
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