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05.12.2001
Wir brauchen einen Ruck jetzt!
Ein Kommentar zur Baukultur-Tagung in Köln
Die Bausoldaten vom belgischen Militär waren auch da. In voller Uniform genossen sie Zigarre rauchend ihre Dienstreise.
Baukultur! Vereine und Verbände, Kammern und Kameraden: Das war das Publikum der zentralen Konferenz für Architektur und Baukultur in Köln, die nebenbei von „Abschlusskonferenz“ zu „Bilanzkonferenz" umbenannt worden war. Das ist auch gleich das wichtigste Signal vorab: Es soll weiter gehen mit der Initiative - sie wird nicht begraben, sondern „verstetigt“.
610 registrierte Teilnehmer tagten im Industriegebiet von Köln-Mülheim, allerdings nur rund 200 davon als Vollzahler (375 Mark). Zwei Drittel der Teilnehmer kamen also über Kontingente und Beziehungen umsonst rein. Zu fordern wäre gewesen: „Eintritt frei“ auch für den Rest! Immerhin will der Veranstalter etwas von seinem Publikum, nicht umgekehrt.
Der Veranstalter, das ist das Bundesbauministerium, das Bundesamt für Bauwesen, das sind die Vereine und Verbände, die Kammern und Kameraden.
Baukultur! Fast alle Diskutanten waren sich am ersten Konferenztag einig, dass sie diesen Begriff keinswegs definieren könnten. Der offizielle Berichterstatter, der Hamburger Privatgelehrte Gert Kähler, tat es dankenswerterweise dennoch: „Der Begriff Baukultur beschreibt die Herstellung von gebauter Umwelt und den Umgang damit“.
Das kann natürlich alles sein - und auch nichts.
Nichts, das wäre zum Beispiel „die „Fehl-Allokation von Fördermitteln, die zu Einfamilienhaus-Wildschweinsiedlungen führt, in denen ich nicht mal tot überm Zaun hängen möchte.“ Diesem wortgewaltigen Ausbruch des Brüsseler Welt-Korrespondenten Michael Mönninger wird jeder aufrecht ausgebildete Architekt aus vollem Herzen zustimmen - jedenfalls solange, bis sein zweites Kind geboren ist. Danach stellen sich einige alltagspraktische Fragen möglicherweise etwas anders als im Lehrbuch des Dichte-Stadt-Urbaniten.
Alles oder nichts: Alles, das war zum Beispiel der Vorstandsvorsitzende der Kaufhof AG. Den Mann hätte man gar nicht so gut erfinden können, so authentisch gab er die Karikatur des Investoren-Kapitalisten: „Die erste Funktion unseres Investments ist nicht eine soziale, sondern wir sind ein Wirtschaftsunternehmen“. Um Kunden zu gewinnen, müssten heute Warenhäuser alle fünf Jahre komplett umgestaltet werden: „Wenn man uns da irgendetwas vorschreibt - zum Beispiel eine Fassadengestaltung -, dann gehen wir eben auf die grüne Wiese und hinterlassen in der City eine Ruine.“ Diesem Volle-Kanne-Erlebnis-Handel konnte niemand etwas Adäquates entgegen setzen - auch der dafür eigentlich engagierte Vittorio Magnago Lampugnani nicht, der sich über ein derartiges Sozialverständnis immerhin „besorgt“ zeigte.
Der zweite Konferenztag drehte sich schließlich um jene Zwischenbilanz, die Gert Kähler nach mühseligen Befragungen und langen Gesprächen in Lenkungsgruppen zusammengefasst hatte. Es ist unmöglich, an dieser Stelle auch nur in Ansätzen auf die einzelnen Punkte einzugehen - das reicht von „Umweltgestaltung als Schulfach“ bis zur - modifizierten - Wiedereinführung der „Kunst am Bau“.
Herausgehoben werden sollen nur ein einziger weiter führender Aspekt, der in Köln tatsächlich neu war: Im Raum steht der Vorschlag einer „Stiftung Baukultur“, die es immerhin „vielleicht“ (Bauminister Kurt Bodewig) geben wird - nämlich „wenn alle Beteiligten das wollen“ - eine vornehme Umschreibung dafür, dass die berufsständischen Kammern und Verbände diese Stiftung gefälligst finanzieren sollen - jedenfalls in Teilen. Geleitet und gelenkt werden soll die Stiftung von einem „Konvent der Preisträger“ - also eine Gruppe von Bauschaffenden aller Berufe, die von dritter, unabhängiger Seite auf Grund ihrer Leistungen mit Preisen geehrt wurden.
Einher mit dem Gedanken der Stiftung geht der Vorschlag, als Projektträger den Förderverein Deutsches Architekturzentrum (DAZ) zu betrauen. Auch Bundesarchitektenkammer-Präsident Peter Conradi will nicht „zehn Jahre oder länger“ warten, bis es in Berlin vielleicht wieder eine Bauakademie gibt: „Wir brauchen einen Ruck jetzt! Wir brauchen in Berlin einen Ort, an dem Architektur gezeigt wird!“
Und wenn also der Kongress nur das Ergebnis gezeitigt hätte, dass das Berliner DAZ wieder auf die Beine kommt, dann wäre das auch schon ein Erfolg. Die meisten Teilnehmer waren sich aber einig, dass der Erfolg der Veranstaltung wesentlich tiefer geht. Und das ist ja schon fast ein unerwartetes Ergebnis. Nicht nur die belgischen Bausoldaten sind jedenfalls zufrieden wieder abgereist.
Benedikt Hotze
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