Am 15. November 2001 fand im Berliner Reichstagsgebäude ein Gesprächsabend zu „Architektur und Baukultur“ mit Bundesbauminister Kurt Bodewig statt. Zu der von der Bundesarchitektenkammer verdienstvollerweise initiierten und organisierten dreistündigen Veranstaltung kamen etwa 120 geladene Architekten und Architekturkritiker. Moderiert wurde der Abend von Kammerpräsident Peter Conradi.
Die Erwartungen der Zuhörer waren hoch, nachdem etwa anderthalb Jahre zuvor im gleichen Rahmen der damalige Kultur-Staatsminister Michael Naumann auf einhellige Empörung der Architektenschaft gestoßen war, weil er ein geradezu haarsträubendes Unverständnis zu Fragen der Baukultur und gegenüber den berufspolitischen Anliegen der Architektenschaft gezeigt hatte (BauNetz-Meldung vom 28. März 2000). Unter anderem hatte er als „Beleg“ für das Versagen der modernen Architektur die hohe Selbstmordrate an der Bochumer Ruhr-Universität bemüht.
Solche Anfänger-Fehler machte der offenbar gut gebriefte Minister Kurt Bodewig nicht. Wie schon sein Vorgänger Reinhard Klimmt wiederholte er statt dessen die Ankündigung, bei öffentlichen Bauvorhaben des Bundes grundsätzlich einen offenen Architekturwettbewerb vorzuschalten. Auch lehne er die Beauftragung von Generalunter- bzw. -übernehmern für diese Bauaufgaben ab. Auf den Vorhalt aus dem Saal, dass es Fälle gebe, in denen Bundeszuschüsse nur unter der Bedingung geleistet würden, dass eben jene Beauftragungspolitik zum Zuge komme, ging der Minister nicht ein.
Bodewig bzw. der ihn zeitweise vertretende Ministerialbeamte Michael Krautzberger bezeichneten das berufspolitische Regelwerk - gemeint waren VOB, GRW, HOAI etc. - als Garanten für Qualität und gegen Korruption.
Der Architekt Stefan Behnisch sagte dagegen, es werde heute alles daran gesetzt, dieses Regelwerk zu umgehen. Das Gebaren von „pseudoprivatisierten Fünf-Buchstaben-Gesellschaften“ wie der NILEG hebele regelmäßig die VOB aus. Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Generalübernehmern fehle es dem Architekten gleich zweifach an Ansprechpartnern: Er habe keinen identifizierbaren Bauherrn mehr und auch keinen Zugriff auf ausführende Firmen. Diese Verfahren führten zwangsläufig zum Aus für den Mittelstand.
Die Architektin Dörte Gatermann dagegen, neben Stefan Behnisch zweite Gesprächspartnerin „aus der Praxis“, hat mit dem an sich ungeliebten Generalübernehmerverfahren auch schon positive Erfahrungen gemacht - nämlich dort, wo man auf Bauherrenseite nur auf Gremien trifft, nicht aber auf Entscheider, die bereit sind, Risiken auf sich zu nehmen. Diese Aussagen diskutierten die Architekten danach kontrovers - und weitgehend unter sich.
Denn von Bodewig kamen keine weiteren konkreten Ankündigungen, Zusagen oder gar Neuigkeiten im Hinblick auf Architektur und Baukultur im engeren Sinne. Die erfolgreichen Anstrengungen des Auslands, von Staats wegen die Architekturqualität direkt zu fördern, wurden von Bodewig nicht einmal erwähnt, geschweige denn als Vorbild benannt. Somit hat er sich zwar keine Fehler geleistet, aber auch keine Verdienste erworben. Er hörte glaubwürdig zu; seine Entgegnungen ließen aber oft nicht erkennen, dass er die „Denke“ der Architekten, dass er deren ganzheitlichen Einsatz für Qualität der Gestaltung und für Fairness und Transparenz der Verfahren wirklich verstanden hat. Wer sich nicht aus dem Fenster lehnt, kann auch nicht herausfallen. Null Fehler, null Punkte.
Benedikt Hotze