Der vorliegende Entwurf der neuen Vergabeverordnung sei eine Katastrophe und werde das ohnehin am Boden befindliche Wettbewerbs- und Vergabewesen der öffentlichen Hand weiter demolieren, sagt Jörn Köppler von der Wettbewerbsinitiative. Er weiß, was Architekten dagegen jetzt noch unternehmen können – am 25. Februar wird im Bundestag darüber abgestimmt.
Von Jeanette Kunsmann
Herr Köppler, diesen Donnerstag wird im Bundestag über die neue Vergabeverordnung abgestimmt, die die bisherige VOF ablösen wird. Sie sagen, Wettbewerbe könnten dann zu einer exotischen Sonderform werden – warum?
Die Regelverfahren, welche die Auslober nach der neuen Vergabeverordnung / VgV wählen können, heißen Verhandlungsverfahren und Wettbewerblicher Dialog, ein nicht-anonymes Wettbewerbsverfahren. Der klassische Wettbewerb kann zwar Teil eines Verhandlungsverfahren sein, absehbar aber scheint aus unserer Sicht, dass der dem „Hoflieferantentum“ Tür und Tor öffnende Wettbewerbliche Dialog den in der Praxis sichtbaren Willen der öffentlichen Auslober am nächsten kommt, am liebsten eigentlich freihändig, unbedrängt von irgendeinem Recht, zu vergeben.
Warum gibt es überhaupt Wettbewerbe?
Offen zugängliche Wettbewerbe sind die öffentlich gestellte Frage nach der Sache der Architektur, insofern für den Diskurs unserer Disziplin nach innen wie auch nach außen unverzichtbar. Zugleich sind sie das fairste Mittel, öffentliche Aufträge zu vergeben sowie das ökonomischste, diese auch zu realisieren.
Wie sollte Ihrer Meinung nach ein freies und faires Wettbewerbswesen funktionieren, das auch junge Architekten miteinbezieht?
Zweistufige, offene Wettbewerbe, in denen in der ersten Stufe nur eine Ideenskizze auf einem A3-Blatt abzugeben ist und erst in der zweiten Stufe mit 15-20 Teilnehmern die Ausarbeitung erfolgt, sind ein für alle Seiten probates Mittel, um die beste Entwurfslösung für die jeweils gestellte Aufgabe zu finden. In der ersten Stufe muss dabei nicht einmal eine vollumfängliche Vorprüfung durchgeführt werden. Allein die vom Preisgericht ausgewählten Projekte werden geprüft und eine erweiterte Auswahl gewährleistet, dass – sollte ein Projekt hier durchfallen – ein Nachrückerprojekt an dessen Stelle tritt.
Was können Architekten gegen die Abstimmung der neuen Vergabeverordnung unternehmen?
Die Wettbewerbsinitiative und der Arbeitskreis „Junge Architektenkammer“ der Architektenkammer Berlin haben bereits in einer Postkartenaktion an alle Mitglieder des Bundestages darauf hingewiesen, dass bei Verabschiedung des vorliegenden Entwurfes der VgV de facto alle jungen und kleinen Architekturbüros auf Jahre von öffentlichen Bauaufträgen ausgeschlossen werden. Nun bitten wir alle Kollegen vor der Abstimmung der neuen VgV im Bundestag am 25. Februar, ihrem jeweiligen Wahlkreisabgeordneten im Bundestag einen Brief oder E-mail zu schreiben, in dem diese Problematik benannt wird. Auf der Website der Wettbewerbsinitiative steht dazu ein Formulierungsvorschlag bereit.
Wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, dass die neue Vergabeordnung nicht kommen wird?
Nun ja, der Glaube, dass man etwas verändern kann, sollte Berge versetzen können – aber im Ernst: Wenn es eine starke Meinungsäußerung der Kolleginnen und Kollegen Richtung Politik gegen diesen aus unserer Sicht wirklich katastrophalen Entwurf der VgV gibt, halten wir es für nicht unwahrscheinlich, dass es noch zu Änderungen kommen kann. Es liegt also an uns allen.
Zum Thema:
www.wettbewerbsinitiative.de
Die Bundesarchitektenkammer hat sich heute zu einem anderen Thema gemeldet und stellt die Petition „Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) verteidigen“ an die Bundesregierung – am Besten noch heute unterzeichnen.
Competition: Über Wettbewerbe
Blanke Nerven um fünf Uhr morgens? Das Wesen der Architektur zeigt sich im Wettbewerb. Mehr in der Baunetzwoche#400
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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Jenatsch | 27.02.2016 18:23 UhrFormulierungsvorschlag
Warum es Wettbewerbe gibt (und geben muss!), hat Herr Köppler sehr schön und zutreffend formuliert. Leider ist der Formulierungsvorschlag an den Bundestag weniger geglückt. Weder sind VgV und VOF am BER schuld, noch ist der BER für alles, was schief läuft, verantwortlich zu machen!