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22.02.2016

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Man sieht nicht, dass die Idee 15 Jahre alt ist

Ein Gespräch über die Wehrhahn-Linie


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Am Samstag wurde in Düsseldorf die neue Wehrhahn-Linie eröffnet. Ein Gespräch mit der Künstlerin Heike Klussmann sowie Jochen Schuh und Markus Schwieger von netzwerkarchitekten, die vor 15 Jahren mit der Planung begonnen haben.

Von Regine Müller


Wenn man an andere Großbaustellen denkt, wie etwa die Elbphilharmonie in Hamburg oder das Opernhaus Köln, wo weder die Kosten noch die Zeiten eingehalten wurden, ist die Wehrhahnlinie ja eine rühmliche Ausnahme. Hattet ihr auch Krisen?
Jochen Schuh: Es gab schon auch Krisen, das ist bei einem Großprojekt immer so. Wenn der Weltmarkt sich verändert, und die Stahlpreise steigen. Das spielt eine Rolle. Es gab Krisen bis zuletzt, wenn Firmen Konkurs gegangen sind. Aber es ging dann doch erstaunlich reibungslos, neue Firmen zu finden.

Stichwort: U-Bahn-Baustellen-Einsturz 2009 in Köln. War das ein Schock?
Schuh: Sicherlich. Zu dem Zeitpunkt war der Rohbau aber schon relativ weit. Aber dann wurde noch einmal genauer hingeguckt. Mit Argus-Augen. Da kam auch die Staatsanwaltschaft vorbei und hat die Baustelle besichtigt.

Heike Klussmann, Sie sind Künstlerin – woher kommt Ihre Nähe zur Architektur?
Heike Klussmann: Ich habe an der Düsseldorfer Kunstakademie ganz klassisch Bildhauerei studiert. Danach bin ich nach Berlin und habe dort noch ein Multimedia-Studium angeschlossen. Ich habe in meiner Arbeit aber immer schon ganz stark räumlich gedacht und gearbeitet. Meine Arbeiten wurden schnell größer, in Richtung Installation, und dann bestand meinerseits ein großes Interesse für die Architektur. Es gab auch vorher bereits kleinere Kooperationen, aber das war nun eine wirklich spannende Anfrage und ein aufregendes Telefonat! Es war beidseitig so, dass ich dachte, in dieser Zusammenarbeit könnte sich etwas ganz besonders Interessantes entwickeln. Wir sind dann gestartet, ohne den gesamten Ablauf absehen zu können.

Haben Sie denn schon vor dem ersten Entwurf zusammengearbeitet?
Markus Schwieger: Ja, wir haben den Wettbewerbsbeitrag in einem Team erarbeitet, zu dem neben der Künstlerin und Architekten noch ein Tragwerksplaner und ein Lichtplaner gehörten. Das Konzept des Kontinuums und der Schnitträume ist in dieser Kooperation entstanden.

War dieses runde Paket dann entscheidend für den Gewinn des Wettbewerbs?
Schuh: Die Bedingungen waren in allen anderen Teams gleich. Gewinnen hat uns lassen – so glaube ich – , dass wir eine Gesamtidee für alle Bahnhöfe entwickelt haben. Und eben nicht für jeden Bahnhof ein anderes Konzept. Sondern das Ganze in seinen Zusammenhang gestellt haben, weil wir dachten, das ist die beste Lösung für ein neues Verkehrssystem in dieser Stadt. Wir hatten auch den Riesenvorteil, dass wir eigentlich gar nichts zu verlieren hatten. Wir waren eines von zwei jungen Büros in einer Gruppe von zehn sehr renommierten Kollegen. Das hat uns aber glücklicherweise nicht weiter irritiert. Das Verfahren war ja offen, mit einer Zwischenpräsentation. Das heißt, wir wussten, mit wem wir es zu tun hatten, und in dem Moment war uns klar, dass wir bestenfalls eine Außenseiterchance hatten. Und so konnten wir uns ganz auf unsere Arbeit konzentrieren. Und ganz befreit strategisch denken. Uns wurde dann klar, dass wir die Wehrhahnlinie nicht wie Perlen an einer Schnur entwickeln wollten, wo jeder Bahnhof von einem anderen Star-Architekten gebaut wird. Sondern wir haben uns darauf konzentriert, ein ganzheitliches Konzept für die ganze Linie zu entwickeln.

Die Aufgabe, ein Gesamtkonzept zu entwerfen, war also so gar nicht gestellt?
Schwieger: Wir haben für den Wettbewerb drei Bahnhöfe entwickeln müssen, mit ganz unterschiedlichen baulichen Gegebenheiten und Randbedingungen. Man hätte meinen können, dass es schwierig ist, ein gemeinsames Konzept zu finden, das diese Bauverfahren auch fasst. Aber in unserer Idee war es eben doch möglich, das Konzept zu verankern.

Wie groß waren denn Eure Freiheiten in der Ausdehnung? Die Bahnhöfe wirken ja sehr großzügig.
Schwieger: Dafür haben wir gekämpft, dass es großzügig bleibt!

Schuh: Es gab eine funktionale Planung der Ingenieure, und daraus ergibt sich eine Minimal-Kubatur. Das Ziel ist eigentlich, so wenig Platz wie möglich zu verschwenden und so effizient wie möglich zu bauen. Das war dann ein spannender Dialog, den wir nach dem Gewinn des Wettbewerbs mit den Ingenieuren geführt haben! Denn tatsächlich ist es so, dass man die Geometrien auch ganz anders begreifen kann. Man kann schräge Einschnitte und hohe Räume bauen und hat dadurch nicht automatisch höhere Kosten!

Schwieger: Es war ein beidseitiger Lernprozess. Denn wir wussten ja beileibe nicht alles über den Tunnelbau, im Gegenteil! Wir mussten viel lernen, was mögliche Schwierigkeiten angeht, und die Ingenieure wiederum mussten sich in unsere Konzept-Welt eindenken. Aber dadurch ist die Basis entstanden, auf der die Umsetzung erst möglich wurde.

Wie schnell habt Ihr die Idee gefunden in der Abstimmung zwischen Kunst und Architektur? Und wie kam es zum Konzept des Kontinuums?

Klussmann: Im Wettbewerb war einerseits gefordert, ein Ingenieurbauwerk zu entwickeln, hier geht es ganz klar um Funktionalität. Und gleichzeitig war eine Antwort auf die Frage zu finden: Wie und wo kann in diesem stark regulierten Rahmen Kunst stattfinden, dem Experiment Raum gegeben werden? Dieser Frage haben wir uns gemeinsam gestellt. Mit dem Entstehen des Konzeptes, der Idee des Kontinuums, das alle Stationen verbindet und der Schnitträume, die den Untergrund mit dem Stadtraum verbinden wurde klar: Die Schnitträume, diese Verbindungsräume mit ihren ganz eigenen spezifischen Geometrien, sind der Ort für die Kunst. Hier kann sich der Wirklichkeitssinn des Verkehrsbauwerks mit dem Möglichkeitssinn der Kunst treffen. Die Kunst ist der Blick über die Raumkante hinaus!

Ihr wart über lange Zeit ein Riesenteam. Ist so eine Konstellation nicht krisenanfällig? Wie blieb das stabil?
Schwieger: Das ist erstaunlicherweise die Idee, die es so lange getragen hat. Eine Idee, die wir vor 15 Jahren entwickelt haben. Und jetzt habe ich nicht das Gefühl, dass man der Idee ansieht, dass sie 15 Jahre alt ist. Die Idee hat bis in alle Ebenen hinein einfach funktioniert.

Die Kunst ist präsent, ohne einen anzuspringen.
Schwieger: Auf der Gesamtebene geht es mir so: Der Wettbewerb hat sich viel Raum genommen und wir haben sehr große Räume geschaffen. In der weiteren Planung wurde das Korsett dann enger. Aber das Konzept funktioniert trotzdem. Das finde ich erstaunlich.

Der Grundeindruck ist aber trotz Korsett einer der Weite und Großzügigkeit! Man kriegt Luft, es gibt keine klaustrophoben Räume. Wie ging es denn eigentlich los?
Schuh: Wir haben uns die vorhandenen Bahnhöfe angeschaut, sind die Strecke abgelaufen und haben uns mit der Schildvortriebstechnik beschäftigt, die ja automatisch bohrt. Und als wir das gesehen haben, da hat es „klack!“ gemacht. Da war klar, dass es um eine Aufweitung dieser Oberflächen gehen muss. Heike hat eine prägnante Skizze dazu gemacht. Und dann war die eigentliche Setzung getroffen. Es muss immer einmal „klack!“ machen. Und dann merkt man, es funktioniert. Es sind ja Dekaden, die zwischen den einzelnen Schritten liegen! Und es liegen ja auch Geschmäcker dazwischen! Es war uns bewusst, dass wir eine Konzeption brauchen, die an der Stelle belastbar ist und die sich entwickeln kann. Hoch spannend war z.B. die Diskussion um die Farbräume: Wenn man versucht, Farben festzulegen, wird es schwierig, auch und vor allem mit den Künstlern. Bei der Stadt kommt schnell die Frage auf: Wie wirkt diese Farbe in 20 Jahren? Und in der Architektur: Wie wirkt sie vor allem von einer Station zur nächsten Station? Wir haben die Farbräume deshalb eher konzeptuell begriffen, um die Grundidee des Kontinuums und der Schnitträume zu vermitteln. Es hat sich herauskristallisiert, dass das Grundkonzept belastbar ist. Formale Dinge haben wir zur Seite lassen können, weil die Kraft in der Ursprungskonzeption liegt.



Zum Thema:

www.wehrhahnlinie-duesseldorf.de


 
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Die Künstlerin Heike Klussmann bei der Fertigung der Betonrauten für das Kontinuum an der 5-Achs-CNC Sägeanlage im Werk der Firma Schwab-Stein GmbH, Foto: Boris Trenkel

Die Künstlerin Heike Klussmann bei der Fertigung der Betonrauten für das Kontinuum an der 5-Achs-CNC Sägeanlage im Werk der Firma Schwab-Stein GmbH, Foto: Boris Trenkel

U-Bahnhof Pempelforter Straße: Kunst am Bau: Heike Klussmann, Foto: Jörg Hempel

U-Bahnhof Pempelforter Straße: Kunst am Bau: Heike Klussmann, Foto: Jörg Hempel

Das Team von netzwerkarchitekten v.l.n.r.: Markus Schwieger, Thilo Höhne, Karim Scharabi, Philipp Schiffer, Oliver Witan, Jochen Schuh, Foto: Jörg Hempel

Das Team von netzwerkarchitekten v.l.n.r.: Markus Schwieger, Thilo Höhne, Karim Scharabi, Philipp Schiffer, Oliver Witan, Jochen Schuh, Foto: Jörg Hempel

Heike Klussmann, Foto: Boris Trenkel

Heike Klussmann, Foto: Boris Trenkel

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