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17.04.2019

Buchtipp: In der Therme spukt’s

Ein Comic als Denkmal für Zumthors Bau in Vals


Es spukt in der Therme von Vals. Oder jedenfalls geschehen sehr seltsame Dinge in Peter Zumthors Gebäude in den Graubündner Bergen. Pierre, ein junger Architekturstudent aus Frankreich, kommt mit seiner Abschlussarbeit nicht voran. Er hat sich mit abwegigen Theorien und Mythen um die Therme beschäftigt, die ihn auf mysteriöse Weise gefangen halten – irgendetwas zieht ihn nach Graubünden.

Die Landschaft ist verschneit und eng, der Comic wird in Weiß, Blau und Schwarz erzählt, da ist auch den Leser*innen kalt. Nur das gelegentliche Rot sorgt für einen kräftigen Gegenakzent. Pierre folgt der düsteren Erzählung vom „Schlund des Berges“, der unter der Therme liegen soll, ein Eingang ins Innere des Gebirges, der alle 100 Jahre einen Fremden anlockt und verschlingt. Pierre wird zunächst nur von der Therme verschlungen, die er wortlos durchwandert und still zeichnet. Ein Grundriss will ihm nicht gelingen. Durchgänge, die er zeichnet, sind beim zweiten Blick verschwunden. „Das gibt es doch nicht!“ ruft Pierre. Fantasiert er?

Pierre trifft den cholerischen Bäderexperten Philippe Valeret (der aussieht wie Jacques Herzog), die wunderschöne rothaarige Ondine, die nachts in der Therme badet und den verrückten Bergler Testis mit Maultier und einer gewaltigen Schrotflinte. Langsam driftet der Comic aus der Realität in einen Fiebertraum, dessen Hauptdarstellerin die Therme in tiefem Blau-Schwarz ist. Pierre tastet sich die Wände entlang, ein Durchgang verschluckt ihn, er gerät in eine Höhle, wird ohnmächtig und wacht alleine im Schnee unterm schwarzen Sternenhimmel wieder auf, halbtot schleppt er sich zurück zu seiner Gästewohnung. Ist er der Fremde, den der Berg lockt? Kann er sich gegen sein Schicksal wehren? Wird Ondine ihn retten — oder gar der jähzornige Valeret?

Wie ein Wasserstrudel verschluckt einen die gezeichnete und mit dramaturgischer Perfektion erzählte Geschichte, zieht hinab in die mysteriöse Untiefe hinter der Therme. Dank der Atemlosigkeit des Bade-Thrillers ist man mit dem ersten Lesen schnell durch und kann sich noch einmal in Ruhe mit den Zeichnungen beschäftigen.

Der Comic ist das Debüt des jungen französischen Grafikers Lucas Harari, Jahrgang 1990, der ebenfalls ein abgebrochenes Architekturstudium vorweisen kann. Beide Eltern sind Architekten, ihm aber war es zuviel, auch wenn er in Interviews gerne zugibt, wieviel Spaß ihm die Auseinandersetzung mit Gebäuden macht, die er von seinen Eltern quasi in die Wiege gelegt bekam. An der Fachhochschule hat er sich mit Siebdruckverfahren beschäftigt, das sieht man seinem Comic an. „Der Magnet“ ist mit kräftigen Strichen und weiten Farbflächen im „Ligne Claire“-Stil eines Hergé (Tim und Struppi) gezeichnet, die klare Architektur der Therme findet sich in diesem Stil bestens wieder. Im letzten Bild steht ein Modell von Tim und Struppis Mondrakete auf dem Zeichentisch. So ist das grandiose Comic-Debüt gleichzeitig eine Hommage an die belgischen Vorbilder und ein Denkmal für die magische Rauminszenierung der Therme von Peter Zumthor.

Harari selbst war mit seinen Eltern das erste Mal in Vals, als er noch ein Jugendlicher war. Die Therme habe ihn berührt, sagt er, sie sei für ihn „die eigentliche Essenz dessen, was Architektur sein soll.“ Ein schöneres Kompliment für Zumthor, als das sein Gebäude zu einem fulminanten Comic inspiriert, kann man sich kaum vorstellen.

Text: Florian Heilmeyer

Der Magnet
Lucas Harari
144 Seiten
Deutsch
Edition Moderne, 2018
ISBN 783037311820
32 Euro

Wer will: „Der Magnet“ ist auch auf rätoromanisch unter dem Titel "La Calamita“ in einer Auflage von 500 Exemplaren erschienen.


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