Bei einer Wettbewerbssumme von insgesamt 510.000 Schweizer Franken (für Preise, Ankäufe und Entschädigungen) geht es um ein wichtiges Bauprojekt – da bewerben sich große Namen, dementsprechend ist die Konkurrenz. Den Wettbewerb für den Neubau des Naturhistorischen Museums und des Staatsarchivs Basel an einem gemeinsamen Standort im Bahnhof St. Johann hat das Zürcher Architekturbüro EM2N für sich entschieden, dies gab das Hochbauamt des Kantons Basel-Stadt gestern bekannt. Die Jury, in der u.a. Emanuel Christ, Roger Diener und Barbara Holzer saßen, kam zu folgendem Ergebnis:
- 1. Preis: „Zasamane“ von EM2N Architekten, Zürich
- 2. Preis: „Periwinkle“ von Ciriacidis Lehnerer Architekten, Zürich
- 3. Preis: „Enzyklop.die“ von Caruso St John Architects, Zürich
- 4. Preis: „1,1,2,3,5,8,13,21“ von LIN Labor Integrativ Gesellschaft von Architekten MBH, Berlin
- 5. Rang/1. Ankauf: „Arche Nova“ von ARGE Ortner & Ortner Baukunst / Caretta + Weidmann Generalplaner AG, Berlin
- 6. Rang/5. Preis: „Voyager“ von Barozzi / Veiga, Chur
Mit dieser Entscheidung findet das einjährige anonyme Wettbewerbsverfahren einen stolzen Schluss. 125 internationale Generalplaner-Teams hatten sich im Juni 2014 beworben, 22 wurden durch die Jury ausgewählt und eingeladen. Unter den Ende 2014 eingereichten Beiträgen sind neben den ausgezeichneten Wettbewerbsentwürfen Einreichungen von BIG Bjarke Ingels Group, Diller Scofidio + Renfro, Tatiana Bilbao, Durisch + Nolli Architetti sowie dem Studio Xaveer De Geyter Architects und der ARGE jessenvollenweider Kuehn Malvezzi.
Dass die ersten drei Preise ausgerechnet an Büros aus Zürich vergeben wurden, überrascht bei der großen Anzahl an Schweizer Teilnehmern kaum: Eingereicht haben auch Buchner Bründler, Gigon/Guyer, Christian Kerez, Miller & Maranta, Architekt Krischanitz, Harry Gugger Studio, Tu.on & Ruckstuhl Architekten, HHF + Johnston Marklee, MADE IN und Sauter von Moos Architekten.
Daniel Niggli und Mathias Müller haben das „Prinzip der Schichtung und Fügung“ als Leitmotiv ihres Entwurfs gewählt. Das Siegerprojekt von
EM2N überzeugte die Jury unter dem Vorsitz von Thomas Blanckarts, Leiter des Hochbauamts Basel-Stadt, durch „seine klare städtebauliche Setzung und die einfache Gliederung des langgestreckten Baukörpers“. Es gelinge dem Projekt durch „die gewählte Kubatur, Materialisierung und Fassade an der Bruchstelle zwischen Quartier und Bahninfrastruktur gleichzeitig einen urbanen und industriellen Ausdruck zu erzeugen“. Mit ihrer internen Organisation des Gebäudes berücksichtigen EM2N außerdem die Bedürfnisse beider Institutionen; die „eindeutige räumliche Zuordnung der beiden Nutzungen in einem Gebäude“ werde „wirkungsvoll über die Fassade nach außen transportiert“. „Dem Siegerprojekt gelingt es, die gemeinsamen und die spezifischen Bereiche der beiden Institutionen klar zu entflechten und so Synergien zu ermöglichen“, lobt die Jury.
Ciriacidis Lehnerer Architekten, die 2014 den Deutschen Beitrag auf der Biennale in Venedig kuratiert haben, sind für ihren Entwurf mit den markanten Rippendecken, die an alte Gewölbe erinnern, mit dem zweiten Preis ausgezeichnet worden. Das Team setzt innerhalb einer geteilten Gebäudestruktur die beiden Programme in einen funktionalen und architektonischen Gegensatz mit gegenläufiger Bewegung in den Bauvolumen, die sich im Eingangsbereich verschneiden und durch eine einheitliche Konstruktion innenräumlich und städtebaulich zusammengefasst werden.
Auch
Caruso St John Architects sehen in ihrem präzise gegliederten Ensemble eine rhythmische Strukturierung der Decken vor. Ihr Entwurf erreiche „solche elementaren architektonischen Eigenschaften, die wir oft mit vertrauten Bildern von Gebäuden in städtischen Situationen in Verbindung bringen, auf überraschend erfolgreiche Art und Weise“, urteilt die Jury. Im Gegensatz zu den anderen ausgezeichneten Entwürfen verzichten Caruso St John auf einen Turm.
Das Berliner Büro
LIN betont wiederum dieses vertikale Element, in dem sie den Turm als aufgesetzten Glasbau durch eine klare Nut von der langgestreckten Sockelbebauung lösen.
Ortner & Ortners Entwurf dominiert eine großmaßstäbliche, robuste Betontragstruktur, die sich über das gesamte Ensemble zieht – ein städtebaulich markanter Vorschlag, der die Jury überzeugte. Würden da nicht Konstruktion und der hohe Glasanteil große Anforderungen im Hinblick auf Realisierung und Unterhalt stellen.
Und der diesjährige Mies-van-der-Rohe-Award-Träger
Barozzi / Veiga bekommt für seinen hellgrauen Betonmonolithen den fünften Preis. „Die volumetrische Gliederung, die Gestaltung der Fassade und der formale Ausdruck im Äußeren und Inneren erreichen nicht die gleiche Qualität“, urteilt die Jury und kann „die gewählte, autoritär anmutende Sprache und den abschottenden Charakter der Architektur“ nicht nachvollziehen.
Für das Siegerprojekt mit einer Geschossfläche von rund 35.500 Quadratmetern hat der Regierungsrat ein Kostendach von 190 Millionen Schweizer Franken festgelegt. Der Baubeginn ist für 2018 geplant, 2022/23 sollen beide Institutionen eröffnet werden.
(jk)
Zum Thema:
Die Wettbewerbsergebnisse sind vom 20. August bis zum 13. September 2015 im Naturhistorischen Museum ausgestellt. Öffnungszeiten: Di–So, 10–17 Uhr. Der Eintritt ist frei. www.hochbauamt.bs.ch/wettbewerbe
Blanke Nerven um fünf Uhr morgens? Das Wesen der Architektur zeigt sich im Wettbewerb: Download der Baunetzwoche#400 „Competition“
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Genius_loci | 23.08.2015 11:11 Uhr...(k)eine Liebesheirat?
Glückwunsch an den Erstplatzierten, dessen Beitrag tatsächlich am ehesten überzeugen kann.
Den Sinn, ausgerechnet ein naturhistorisches Museum mit einem Staatsarchiv zu koppeln, muss der Auslober allerdings noch erklären. Letzteres kann ich mir an diesem (Un-)Ort gut vorstellen, ersteres nicht. Erst recht dann nicht, wenn man den wunderbaren Standort des jetzigen NHM kennt!