Ein altes Sprichwort sagt: „Gott schuf die Welt, aber die Niederländer schufen die Niederlande.“ Denn bekanntlich wurde ein Großteil des Landes über Jahrhunderte dem Meer abgerungen. Deiche, Polder, Schleusen und Pumpwerke bestimmen das Bild des flachen Landes. 2017 brachte der Amsterdamer Fotograf Luuk Kramer das Buch Waterworks in the Netherlands. Tradition and Innovation heraus, in dem er sich den beeindruckenden Projekten seines Heimatlandes widmete.
Vor wenigen Wochen ist sozusagen der Nachfolger im globalen Maßstab erschienen. Dutch Waterworks Worldwide beweist auf 256 Seiten, dass die Niederländer Gott auch an manch anderer Stelle auf dem Planeten unter die Arme griffen, wenn es darum ging, Wasser zu organisieren, zu bändigen, zu verteilen oder anderweitig nutzbar zu machen. Nicht immer standen dabei Gestaltung und fein detaillierte Hochbauten im Vordergrund. Aber stets hat man es mit einer tiefgreifenden Formung der Landschaft zur Kulturlandschaft zu tun.
Niederländische Siedler, Ingenieure und Arbeiter haben über die Jahrhunderte an so vielen Orten und so viele Wasserbauprojekte realisiert, dass für ihn eine systematische Darstellung nicht möglich gewesen wäre, schreibt Kramer im Vorwort. Deshalb wählte er acht Länder aus und ordnete die dortigen Wasserbauprojekte auch thematisch ein.
Im Kapitel „Religion“ zeigt er Polderlandschaften in England und im Weichseldelta in Polen, die von religiös motivierten Einwanderern aus den Niederlanden in der frühen Neuzeit angelegt wurden. Im zweiten und größten Kapitel „Kolonialismus“ stellt Kramer Projekte in Indonesien, Surinam, Südafrika und Brasilien vor. Im letzten Kapitel „Kommerz“ widmet er sich Japan und den USA. Mit Bauten als Reaktion auf die verheerenden Sturmfluten Katrina in New Orleans 2005 und Sandy in New York City 2012 kommt Kramer schließlich in der Gegenwart an.
Dutch Waterworks Worldwide ist ein Fotobuch mit kurzen, informativen Texten. Sie stammen teils von Kramer, teils von lokalen Autor*innen. Sie erzählen von den Leistungen und Errungenschaften und liefern den knappen Kontext, um die gezeigten Projekte zu verstehen. Was man von Dutch Waterworks Worldwide nicht erwarten darf, ist eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den kolonialen Verhältnissen oder den Folgen des Klimawandels für das Leben und Bauen am Wasser. Dafür zeigt das Buch die faszinierende Breite des Themas Wasserbau quer durch die Jahrhunderte und die unterschiedlichsten Kulturräume.
Text: Gregor Harbusch
Dutch Waterworks Worldwide
Luuk Kramer
Englisch
256 Seiten
nai010, Rotterdam 2024
ISBN 978-94-6208-846-7
49,95 Euro
Das Buch ist zu einer Ausstellung gleichen Namens im Watersnoodmuseum in Ouwerkerk erschienen, die noch bis 15. September 2024 läuft. Es ist selbstverständlich auch auf Niederländisch erhältlich.
Zum Thema:
Mit der von Menschen geformten niederländischen Kulturlandschaft hat sich auch der Berliner Fotograf Henrik Spohler beschäftigt, wie man in Baunetzwoche#637 „Flatlands“ nachlesen kann. International und kritisch wurde auf der letzten Biennale in Venedig über das Thema Wasser nachgedacht.