Mit dem 1973 gebauten Hotel du Lac in Tunis gelang dem italienischen Architekten Raffaele Contigiani eine skulpturale Großform von indentitätsstiftender Symbolkraft. Die neue Eigentümerin erwägt den Abriss. Doch es formiert sich Widerstand.
Von Felix Torkar
Die umgekehrte Pyramide von Raffaele Contigiani ist der vielleicht prägnanteste Vertreter postkolonialer Architektur in Tunesien. Nach der Schließung um die Jahrtausendwende wurde das Hotel du Lac jedoch zum Dauersorgenkind. Nach langem Stillstand kommt nun wieder Bewegung in die Sache. Dass sogar BBC und CNN über die Debatte berichten, zeigt, dass es hier um weit mehr, als nur den Abriss eines obsoleten Hotels geht.
Dabei liegt der Prominenz nicht allein die architektonische Qualität zugrunde. Einer Legende zufolge soll der Bau George Lucas zum Design der Sandcrawler in Krieg der Sterne (1977) inspiriert haben, das in Teilen in Tunesien gedreht wurde. Auch wenn gewisse Ähnlichkeiten nicht zu leugnen sind, kann dieser Mythos nach neuesten Recherchen der BBC nun endlich zu den Akten gelegt werden. Der Entwurf für die mobilen Burgen entstand schon lange vor der Wahl des Drehorts.
Dass das Hotel du Lac oft auf seine vermeintliche Verbindung zu Star Wars reduziert wird, tut dem Entwurf jedoch unrecht. Er steht stellvertretend für einen Wendepunkt in der Architektur Tunesiens. Nach der Unabhängigkeit 1956 wurden erstmals auch nichtfranzösische Architekten zugelassen. Italienische Experten waren nicht zuletzt aufgrund der geografischen Nähe gefragt. So entwarf der Italiener Raffaele Contigiani gleich eine ganze Reihe von Bauwerken, darunter mehrere Hotels, die italienische Handelskammer und die Zweigstelle der Fluggesellschaft Alitalia.
Mit dem 1970–73 erbauten Hotel du Lac gelang ihm sein mit Abstand einprägsamster Entwurf. Die ungewöhnliche Form reagierte ganz konkret auf die spezifischen Gegebenheiten. Eine möglichst kleine Gründungsfläche reduzierte die Größe des wegen des schwammigen Untergrundes komplexen Fundaments. Durch die nach oben größer werdenden Stockwerke liegen die meisten Zimmer in den traditionell begehrtesten oberen Stockwerken. Zuletzt stiftete der Charakter der skulpturalen Großform auch Symbolkraft für die Identität des damals neuen Stadtviertels und für die junge Republik.
Nach seiner Schließung im Jahr 2000 wurde das Hotel 2011 an die staatliche libysche Immobilienfirma LAFICO verkauft. Erste Pläne zum Abriss wurden wegen der libyschen Staatskrise zunächst auf Eis gelegt. In den vergangenen Monaten wurde das Projekt jedoch wieder in Angriff genommen. Der tunesische Architekt Sahbi Gorgy, der an den neuen Planungen beteiligt ist, gab zu Protokoll, dass gegenwärtig geprüft werde, ob die Generalsanierung tatsächlich, wie momentan erwartet, teurer als ein Abriss und Neubau sei. Probleme bereiten statische Mängel, die 2011 durch ein Brand verursacht wurden. Den neuen Besitzern sei der Symbolwert des Hotel du Lac aber durchaus bewusst.
Währenddessen versucht die tunesische Organisation Edifices et Memoires mit einer Kampagne das Gebäude zu retten. Das öffentliche Interesse nötigte die Stadtbehörden bereits zu dem Lippenbekenntnis, dass noch kein Antrag zum Abriss eingegangen oder bewilligt wurde. Es bleibt die Hoffnung, dass die ungewöhnlich starke internationale Resonanz Einfluss auf die ausstehende Entscheidung zum Erhalt nimmt.
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