Ist die Bauaufgabe nur groß genug, so kann man mittlerweile mit einiger Gewissheit sagen, dass Dominique Perrault sie mit schlanken Turmbauten beantworten wird. Mit Vorliebe gleich viele schlanke Türme auf einmal. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür ist die neue Bibliothèque Nationale in Paris, deren Büchermagazin der Pariser Architekt in vier rahmenden Hochhäusern unterbrachte, anstatt es – wie sonst so häufig – unter die Erde zu verlegen. Als im Zuge der EU-Erweiterungen in den 1990er Jahren auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg erweitert werden musste, gesellte Perrault mit studio Paczowski & Fritsch und M3 architects (beide Luxemburg) zwei goldene Scheiben zu einem bestehenden breit-flachen Gebäudekomplex. Dieser Entwurf von 1996 wurde 2008 fertiggestellt. Jetzt, am 19. September, wird auf dem Luxemburger Kirchberg ein zusätzlicher Erweiterungsbau des EU-Gerichts von Dominique Perrault eröffnet: Es ist ein schlankes Hochhaus, bestehend aus zwei schmalen Scheiben.
Mit 27 und 30 Stockwerken Höhe überragt das neue Scheibenduo, an dessen Realisierung dieses Mal SRA architects (Paris) and Jean Petit Architectes (Luxemburg) mitbeteiligt waren, leicht die beiden bestehenden Perrault-Türme mit jeweils 24 Etagen. Insgesamt bilden sie auf dem Kirchberg-Plateau ein gold-schwarzes Hochhaus-Tripel, in dem die Verwaltung für die mittlerweile 56 Richter des EU-Gerichtshofes untergebracht sind. Die Farbwahl ist symbolisch: Gold wie das Edelmetall, schwarz wie Kohle – sie soll auf die erste Form des EU-Staatenbunds als Montanunion verweisen. Wie auch an den zwei Hochhäusern von 2008 applizieren die Architekten eine Vielzahl perforierter Stahlmodule von jeweils 1,20 Meter Breite an die Fassade. Changierend mal in mehrfachen und mal in einfachen Schichten an den Glasbau angebracht, erscheint die goldene Gebäudeoberfläche unterschiedlich transparent. Der durchgehend schwarze Teil hingegen ist aus verdunkeltem Glas. Hier wählten die Architekten das gleiche Material, das bereits in der vorherigen Erweiterung für das eigentliche Gerichtsgebäude Verwendung fand: Spektakulär ummantelten Perrault und seine Projektpartner damals den bestehenden Bau für den Justizsaal von 1973 mit einer aufgeständerten Struktur aus Stahl und jenem verdunkelten Glas.
War der EU-Gerichtshof bislang weitestgehend von der Luxemburger Innenstadt getrennt, so soll das ganze Areal auf dem Kirchberg-Plateau nun durch Wohn- und Infrastrukturprojekte an die Innenstadt angegliedert werden. Die Büros von Dominique Perrault, SRA und Jean Petit gestalteten dementsprechend das 10.000 Quadrameter große Gelände des Gerichtshofes zu einer offenen Anlage um: Den dritten Turm versetzten sie bereits auf eine öffnende Schrägachse zu den zwei früheren Turmbauten. Die Höhenunterschiede zwischen den umliegenden Straßen und der planierten Fläche der Anlage arbeiteten sie durch breite Treppenanlagen aus und machten das Gelände auch für Fußgänger zugänglich. Für diese ist nun ein zusätzlicher Eingang auf unterer Straßenebene zum eigentlichen Gerichtssaal möglich, zugänglich über eine breite, geschwungene, tolle Treppe. (sj)
Fotos: Georges Fessy/ADAGP
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STPH | 19.08.2019 14:58 Uhr@3 ixamotto
gemessen an der handwerklich hervorragenden Bellepoque, ist das Problem das die Franzosen mit der Moderne haben bezeichnend und Verpackung zu nennen. Von außen nach innen gedacht. Von innen nur kompakte Standards. Diese Art Dekoarchitektur gibt es natürlich auch anderswo und ist der Ausbildung und dem Schnitt zur Ausführung geschuldet.
Aber Frankreich ist groß und verträgt viele Sünden. Gemessen an seiner Geschichte ist es aber zu mehr fähig.
Für Europa fröstelt mich sowas.