Dass es in China lange eine regelrechte Bauwut bei Großprojekten gab, zeigt der Blick ins Baunetzarchiv: Hier finden sich besonders viele als „Kulturzentrum“ bezeichnete Gebäudekomplexe mit zuweilen etwas undurchsichtigem Nutzungsmix. Sei es als
rote Raupe,
Schaumgebäck oder
riesige Jasminblüte, meist kommen die megaloman anmutenden Bauten auch in besonders
spektakulärer Gestalt daher.
Seit jedoch Chinas zweitgrößter Immobilienkonzern Evergrande 2021 in Zahlungsschwierigkeiten geriet und – wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland RND berichtet – auch weitere Konzerne ins Strudeln geraten, geht die Angst vor einer Implosion der Branche um. Auslöser der gegenwärtigen Verwerfungen sei vor allem das verschärfte Vorgehen der Regierung gegen die hohe Verschuldung von Immobilienunternehmen, so RND.
Es gebe Unruhe auf dem Grundstücksmarkt, erklärt auch das Büro
Domani Architectural Concepts aus Guangzhou, das gerade das
TIC Art Center in Foshan in der südchinesischen Provinz Guangdong fertigstellen konnte. Mit der Zunahme staatlicher Kontrollen würden die Karten neu gemischt: Viele private Immobilienentwickler seien verunsichert und verhielten sich derzeit abwartend. Nicht so das Real-Estate-Unternehmen Times China, das bei Domani den „Maker Town Complex TIC“ beauftragte und sich damit nach Aussage der Architekt*innen eine führende Position bei der Immobilienentwicklung rund um den Qiandeng Lake, einen bei Tourist*innen beliebten See in Foshan, gesichert habe.
Rund 180 Millionen Yuan – umgerechnet knapp 25,7 Millionen Euro – seien in das Projekt investiert worden. Und auch wenn es mit Art Center tituliert wird, tritt es eher als Showroom und Sales Center denn als klassisches Kunst- oder Kulturzentrum auf. Hinter der Fassade aus rostrotem Gittermauerwerk verbergen sich neben öffentlichen Ausstellungsräumen zahlreiche Verkaufsflächen und Büros, es gibt außerdem eine Lounge, eine Bar und einen Kinderbereich. Dem quaderförmigen Bau vorgelagert ist eine größtenteils mit schwarzem Kies und überdimensionierten weißen Kissenskulpturen bedeckte Freifläche mit kreisrundem Pool – hier habe man ein „Gefühl von Zeremonie“ und ein klares Entree schaffen wollen, so Domani.
Errichtet wurde der Bau mit einer Vorhangfassade, die aus dreieckig zusammengesetzten Keramikziegeln besteht. Dahinter befindet sich eine zweite Hülle aus Glas, die nachts für laternenartige Lichteffekte sorgt. Das Erdgeschoss ist durch weit geschwungene Bögen charakterisiert, die eine maximale Spannweite von 29 Metern erreichen.
Den inneren Kern des Baus bildet ein langgezogenes Atrium, das mit Beleuchtungselementen bestückt ist, zwischen denen lange Kabel die Assoziation an Wäscheleinen wecken sollen. Zwischen vorderem und hinterem Gebäudeteil – hier befinden sich die Erschließung und Serviceräume – verläuft ein schmaler Hohlraum, der wie ein Tal den Baukörper durchschneidet. Was genau nun inhaltlich in dem mit traditionellen und naturalistischen Anklängen und Referenzen aufgeladenen Bau passiert, darüber lässt sich aus der Ferne allerdings nur spekulieren.
(da) Fotos: Vincent Wu
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Peter 2.0 | 04.03.2022 07:38 UhrAugenmerk
Wie auf Bild Nr. 2 zu erkennen, hätte der Ecke eine erhöhte Detailplanung gut getan. Vor allem, wenns die Ecke ist, die jedem in Auge springt.