Die beiden Architekturbüros nsMoonStudio und Wizja aus Krakau besitzen Übersetzungstalent: Mit dem Neubau des Centre for the Documentation of the Art of Tadeusz Kantor, kurz CRICOTEKA, in ihrer Heimatstadt übertragen sie mit Feingefühl die Kunst- und Theatersprache des polnischen Regisseurs und Künstlers auf ein gebautes Objekt. In dem scheinbar gebrochenen Volumen am Weichsel-Ufer steckt so viel Dramatik wie nötig, geleitet von der Passion des Künstlers nach ewiger Veränderung.
CRICOTEKA – abgeleitet von Tadeusz Kantors eigens gegründeter Theatertruppe Cricot 2 – ist Hülle und Objekt zugleich. Mit 2.428 Quadratmeter Fläche legt sich die statisch anspruchsvolle Struktur aus Stahlbeton mit der perforierten Cortenstahlfassade über den denkmalgeschützten Bestand, den die Architekten saniert haben. Ehemals eine Fabrik findet das Backsteinensemble mit Satteldach und markantem Schornstein nun unter- und innerhalb der neuen Bausubstanz Platz. Vom Theater-Feeling werden die Besucher bereits in diesem bühnenartigen Aufenthaltsbereich erfasst. Der Blick nach oben zeigt das eigene Spiegelbild in der mit Edelstahl verkleideten Unterdecke.
Als Grundlage bei der Formfindung diente Kantors Zeichnung, die einen Mann mit einem Tisch auf dem Rücken zeigt. Gebückt von der Last schleppt er diesen ins Nirgendwo. Den imaginären Tisch schneiden die Architekten ein und lassen daraus eine schiefe V-Struktur entstehen. In den beiden V-Armen sind die Ausstellungsflächen untergebracht. Diese erreichen die Besucher allerdings erst, wenn sie in den Untergrund steigen, wo sich auch Foyer und Buchladen befinden.
Innen wie außen erzeugt die rostfarbene Fassade eine besondere Atmosphäre. Abends leuchtet das Tragwerk aus Stahlbeton hindurch, tagsüber wird das Licht durch die unzähligen Einschnitte zerstreut. Mit dem auffällig geschnittenen Block im postindustriellen Quartier liefern die Architekten in der sonst durch erhaltenen Altbaubestand geprägten Stadt einen Kontrast für die Augen. Dieses zeitgenössische Museum ist Teil einer städtebaulichen Aufwertungsstrategie und wird vermutlich noch mehr Touristen anlocken. Schließlich befindet sich nicht weit von hier Oskar Schindlers ehemalige Fabrik – heute das Dokumentationszentrum zur deutschen Besatzung Krakaus. (pg)
Fotos: Wojciech Kryński, Iñigo Bujedo-Aguirre
Zum Thema:
www.cricoteka.pl
Doris Kleilein schreibt über CRICOTEKA in der Ausgabe 8.2015 der Bauwelt
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
3
stefan | 25.02.2015 09:22 Uhrtoll
vom vielversprechenden wettbewerbsergebnis bis zum realen gebäude heute ohne erkennbare änderungen. und das nach einem prozess über 9 jahre. ein sehr tolles gebäude. auf nach krakau!