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08.07.2022

Filmtipp: Immobilienpoker

Dokumentation über Adler Group in der ARD-Mediathek


Filetgrundstücke, auf denen nicht gebaut wird, unbezahlte Handwerkerrechnungen, ein abgelehntes Testat der Wirtschaftsprüfer – seit Monaten steht die Adler Group in den Schlagzeilen. Die sehenswerte Dokumentation „Immobilienpoker“ untersucht das Geschäftsgebaren des Immobilienkonzerns und gibt nebenbei eine von vielen Antworten auf die Frage, warum der Wohnungsbau in Deutschland so langsam vorankommt.

Acht Monate, so sagen die Filmautoren Michael Richter und Christoph Twickel gleich am Beginn ihres Filmes, haben sie zur Adler Group recherchiert. Sie wollten herausfinden, warum es nicht voran geht auf dem Holstenareal in Hamburg, mit dem Steglitzer Kreisel in Berlin oder am Grand Central in Düsseldorf-Gerresheim, warum die dort angekündigten Wohnungen nicht gebaut oder fertig werden.

Die Faktenlage spricht für die Dramatik: Der Börsenwert von Adler ist auf Talfahrt. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG hat sein Testat für den Jahresabschluss verweigert. Der Adler-Großaktionär Vonovia äußerte öffentlich Gedanken über einen Ausstieg.

Eines der Beispiele im Film ist das Holstenareal in Hamburg. Auf dem ehemaligen Grundstück der gleichnamigen Brauerei im Stadtteil Altona hätten längst 1.300 Wohnungen entstehen sollen. Doch mehr als Abrissarbeiten sind nicht zu sehen, als Christoph Twickel vor Ort ist. Unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz habe die Stadt Hamburg entschieden, auf das Vorkaufsrecht für das Areal zu verzichten und dem Grundstücksverkauf auf dem freien Markt zuzustimmen, erzählt Stefanie von Berg, Leiterin des Bezirksamtes Hamburg-Altona. Im Gegenzug hätte die damalige Eigentümerin Carlsberg 300 Arbeitsplätze in Hamburg sichern sollen.

Während der Kaufpreis für das Holstenareal 2016 noch bei 67 Millionen Euro gelegen hatte, erwarb Adler das Grundstück im Jahr 2019 für 320 Millionen Euro – und zwar im Rahmen eines Share Deals. Weil dabei nicht das Grundstück, sondern lediglich Unternehmensanteile veräußert würden, könne sowohl ein erneutes Vorkaufsrecht der Stadt als auch die Grundsteuer umgangen werden, so von Berg weiter. Sie sieht den Bund in der Pflicht, diese Verfahren durch Gesetzgebung künftig zu regulieren.

Dass nicht nur Städte, sondern auch Bauunternehmer und Anleger mutmaßlich finanzielle Einbußen durch Adler hinnehmen mussten, veranlasste das Filmteam, das Firmenkonstrukt der Adler Group zu beleuchten. Dabei rückt vor allem der Unternehmer Cevdet Caner in den Fokus, der mit seinem früheren Immobilienunternehmen Level One die „zweitgrößte deutsche Immobilienpleite hinlegte“, wie die Wirtschaftswoche-Journalistin Melanie Bergermann im Film erklärt.

Auch der Wirecard-Shortseller Fraser Perring kommt zu Wort. Er äußert die Vermutung, dass Caner im Hintergrund die Geschäfte der Adler Group leite. Den Recherchen des Filmteams zufolge seien Caners Ehefrau und Schwager „persönlich oder mittelbar Aktionäre von Adler“, weitere Vertraute von Caner sollen „strategisch wichtige Positionen“ bei Adler besetzt haben. Das Geschäftsmodell des Unternehmens, so fasst Perring zusammen, bestünde darin „Werte so aufzublähen, dass niemand es merkt“ und „Leuten, die Caner nahestehen, Geld zuzuschanzen und das dann zu verschleiern“.

Neben all diesen Details macht der Film nicht zuletzt deutlich, wie groß der politische Handlungsbedarf ist, den Immobilienpoker zu Lasten der Kommunen und derer, die dringend eine Wohnung suchen, zu unterbinden. Immerhin: Was eine im Film gezeigte Hamburger Bürgerinitiative fordert, ist inzwischen umgesetzt: Anfang Juni hat der Bezirk Altona das Bebauungsplanverfahren für das Holstenareal gestoppt. Alle weiteren Areale in der Stadt, die in Verbindung zu Adler stehen, sollen überprüft werden. Doch auch bei der Adler Group zeichnen sich neue Entwicklungen ab. Die Tochtergesellschaft Adler Real Estate wolle man vollständig übernehmen und im Herbst von der Börse nehmen. Wie am Montag, 4. Juli 2022 bekannt wurde, wird Cevdet Caner Geschäftsführer des Adler-Aktionärs Aggregate und übernimmt 20 Prozent der Unternehmensanteile. Die nächste Runde im Immobilienpoker hat, so scheint es, bereits begonnen.

Text: Sara Lusic-Alavanja

Immobilienpoker – Die dubiosen Geschäfte eines Wohnungskonzerns
Michael Richter und Christoph Twickel
Deutschland 2022, 44 min, NDR/rbb/ARD
Deutsche Originalfassung, seit dem 27. Juni online in der ARD Mediathek
Produktion: Other People pictures


Zum Thema:

Zur Dokumentation in der ARD Mediathek


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