Die Tänzerin und Choreografin Pina Bausch (1940–2009) gilt als Pionierin des modernen Tanztheaters. Seit den 1970er Jahren bis zu ihrem Tod wirkte sie in Wuppertal und führte das hiesige Tanzensemble als Leiterin zu Weltruhm. Um ihr künstlerisches Erbe lebendig zu erhalten und neue Anknüpfungspunkte zu eröffnen, soll in Wuppertal-Elberfeld auf der sogenannten Kulturinsel am Wupperbogen unter Einbezug des dortigen denkmalgeschützten Schauspielhauses und des Sopp’schen Pavillons – ein ebenfalls denkmalgeschützter Tankstellenbau aus den 1950ern – das Pina Bausch Zentrum entstehen. Dieses soll vier inhaltliche Säulen umfassen: das Tanztheater Wuppertal Pina Bausch, die Pina Bausch Foundation, ein internationales Produktionszentrum und das sogenannte Forum Wupperbogen als Ort für partizipative Prozesse.
Um das umfangreiche Programm zu realisieren, ist zum einen eine funktionale Ertüchtigung und Modernisierung des in den 1960er Jahren nach einem Entwurf von Gerhard Graubner errichteten und 2013 wegen Sanierungsbedarfs geschlossenen Schauspielhauses geplant. Zum anderen soll ein mehrgeschossiger Neubau mit einer Bruttogrundfläche von circa 5.000 Quadratmetern als „behutsame Ergänzung“ entstehen und eine neue Freiraumgestaltung entwickelt werden.
Dafür lobte das Gebäudemanagement der Stadt Wuppertal 2022 einen begrenzten, zweiphasigen Realisierungswettbewerb nach RPW 2013 aus. Betreut wurde er vom Dortmunder Büro post welters + partner. Von den 52 eingegangenen, internationalen Bewerbungen wurden 15 zur Teilnahme ausgewählt. Weitere fünf Teams aus Architekt*innen und Landschaftsarchitekt*innen forderte die Ausloberin direkt zur Teilnahme auf. Im Dezember 2022 wählte das Preisgericht unter Vorsitz von Jórunn Ragnarsdóttir acht Entwürfe zur vertiefenden Bearbeitung in einer zweiten Wettbewerbsphase aus. In der finalen Jurysitzung am 1. Juni 2023 wurde nun das Team des New Yorker Büros Diller Scofidio + Renfro mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten (München) zum Gewinner gekürt. Die weitere Platzierung gestaltet sich wie folgt:
- 1. Preis: Diller Scofidio + Renfro mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten (München)
- 2. Preis: Hascher Jehle Architektur (Berlin) mit Gänßle + Hehr Landschaftsarchitekten (Esslingen)
- 3. Preis: Auer Weber (München) mit mk.landschaft (München)
Diller Scofidio + Renfro, die in New York unter anderem das MoMA erweiterten und das Kulturzentrum The Shed planten, schlagen für Wuppertal einen auf Stelzen stehenden, weit über den Vorplatz auskragenden Riegel vor. Mit viel Transparenz setzt dieser einen Kontrapunkt zur Introvertiertheit des Schauspielhauses. Durch die Aufständerung des Volumens wird zudem der Sopp’sche Pavillon in das städtebauliche Ensemble eingegliedert, sodass der Jury zufolge „eine unverwechselbare Identität für das neue Pina Bausch Zentrum“ entstehe. Zugleich biete die Überdachung einen geschützten offenen Raum für informelle Veranstaltungen, „welche die Aktivitäten des Zentrums sichtbar in die Stadt hineintragen“.
In der Ost-West-Achse des geplanten Ensembles sollen die bestehenden Gartenhöfe räumlich aufgenommen und in einem neuen Performance-Hof im Zentrum des kreuzförmigen Neubaus überführt werden. Die Jury lobte die Klarheit dieser Form, die eine „mühelose Orientierung und Verteilung der Funktionen“ erlaube. Ebenso gefiel die vorgeschlagene, industrielle Ästhetik, die nicht nicht nur an das Industrieerbe Wuppertals erinnere. Sie suggeriere auch „eine lockere Ausdrucksform“, die der experimentellen Ausrichtung des Ortes entspreche. Auch ein polyvalenter Aufführungsraum, der sich zur südlich gelegenen Wupper hin über ein klappbares Fenster öffnen lässt, wurde trotz der technischen Herausforderungen als „starke Idee“ angesehen.
Im nächsten Schritt folgt die Verhandlung zur Auftragsvergabe im Rahmen der Vergabeverordnung. (da)
Zum Thema:
Alle eingereichten Entwürfe werden ab Donnerstag, 8. Juni 2023 bis zum Sonntag, 18. Juni 2023 im Schauspielhaus Wuppertal, Bundesallee 260, 42103 Wuppertal ausgestellt: Montag bis Samstag 11–18 Uhr sowie Sonn- und Feiertag 10–16 Uhr.
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beckoffice@gmx.de | 20.06.2023 19:39 UhrPina-Bausch-Zentrum Wuppertal
... hatte als Architekt im Büro Bert Ruile in 1977-1979 den Umbau der Scholzschen Etiketten-Fabrik in der Friedrich-Enbert Str. für die Staatliche Musikhochschule Wuppertal unter der Leitung von Ingo Schmidt verantwortet.
Ein nicht einfaches Unterfangen, denn das historische klaissche Ensemble aus Villa- Fabrik und gewerblichen Nebengebäuden bis an die Wupper war ja baulich-technisch in keiner Weise für einen Musikbetrieb dieser Art incl. Vorstellungen aller Art, der ganz eigene Anforderungen an die Gebäuderäumlichkeiten und Ausstattung stellt, gebaut worden. Zumal der Frabrikeigentümer eine stark eingegrenzet Summe für den Umbau bereitstellen wollte, und sich die öffentlichen Mittel auf Ausstattung beschränkten. Daziwschen klaffte eine erhebliche Lücke und es bedurfte viel Überzeugungsarbeit und Improvisation, um zu einem präsentablen Ergebnis zu kommen. Immerhin waren die Beteiligten, incl. der Stadt am Ende zur Einweihung sehr zufrieden. Das Eröffnungskonzert von John Cage fand mit Beteiligung von Pina Bausch statt. Der junge Architekt wurde gelobt.
Umso so erfreulicher, daß Wuppertal heute das Pina-Bausch-Zentrum und mehr auf dem Gelände des alten traditionsreichen Schauspielhaus bekommt, wie gerade zu lesen war.
Viel Erfolg den Gewinnern, auf die innovative Realsiierung (auch) der/von gehobenen Umweltstandards wird mit Interesse geschaut.
Peter beck, Berlin