Der Besuch des deutschen Pavillons ist natürlich ein Pflichttermin, selbst wenn, wie in diesem Jahr, die Räume provokativ leer und die Inhalte auch online zu sehen sind. Doch welche anderen Länderbeiträge auf der diesjährigen Architekturbiennale in Venedig lohnen sich?
Von Stephan Becker
Empfehlenswert sind sicherlich die dänische Haustechnikoase, der neugestaltete russische Pavillon und die Ausstellungen Finnlands, Japans und der USA mit ihrem Fokus auf holzbasierte Konstruktionsweisen. Auch Österreich und Belgien sollten auf jeder Liste stehen. Darüber hinaus gibt es aber auch viele Präsentationen mit ganz eigenen Themensetzungen und Darstellungsformen, die ebenfalls sehenswert sind.
In den Giardini zählt zu den gelungenen Projekten beispielsweise der britische Pavillon mit seinem „Garden of Privatised Delights“. Fast schon landestypisch poppig inszeniert, geht es hier um die Privatisierung des öffentlichen Raums. Das Thema ist nicht zuletzt angesichts der Pandemie hochaktuell, die bekanntlich den Drang ins Freie befördert. Schön sind auch riesige Modelle und bühnenartige Settings, die für eine unterhaltsame Vermittlung der Themen sorgen.
Ein weiteres Highlight ist der israelische Beitrag. „Land. Milk. Honey“ untersucht anhand von fünf Fallstudien unter anderem zu Kühen und Wasserbüffeln die Wechselwirkungen zwischen Landschaft, Mensch und Tier vor dem Hintergrund des zionistischen Modernisierungsprojekts. Wird im Erdgeschoss zunächst Wissen vermitteln, wartet im Obergeschoss eine schaurige Installation, die mit Tierskeletten in Schubladen an eine Leichenhalle denken lässt – Cohabitation gone wrong.
Ebenfalls etwas Zeit sollte man für den niederländischen Pavillon einplanen. Auf die zentrale Frage von Biennale-Kurator Hashim Sarkis „How will we live together?“ wird hier die schlaue Gegenfrage „Who is we?“ gestellt. Mit der Verschiebung zu identitären Fragen und deren Auswirkungen auf die Konstruktion von Raum ist man mitten drin im zeitgenössischen Diskurs. Vermittelt werden die Themen aber nicht per Zeigefinger, sondern inmitten einer wunderbar leichten Installation aus farbig gemusterten Stoffbahnen.
Einige hundert Meter weiter im Arsenale wartet mit den kleineren Länderpavillons traditionell eine noch größere Vielfalt. Skurrile Installationen beispielsweise aus Kroatien und dem Kosovo treffen hier auf tiefgreifende Auseinandersetzungen. So fokussiert der gelungene philippinische Beitrag „Structures of Mutual Support“ auf unterschiedliche Formen der Selbstorganisation und Kollaboration im Verhältnis zur Architektur. Ein traditionelles philippinisches Holzhaus bildet dabei den Mittelpunkt der Installation.
Ebenfalls sehenswert ist mit Saudi-Arabien einer der ganz wenigen pandemiespezifischen Beiträge. Unter dem Titel „Accommodations“ geht es um historische und zeitgenössische Quarantänearchitekturen, die von einfachen Massenunterkünften bis zu luxuriösen Hotelaufenthalten reichen. Die benachbarten Vereinigten Arabischen Emirate beschäftigen sich in einem ironischen messeartigen Setting mit natürlichen Alternativen zum allgegenwärtigen Portlandzement.
Knallig gelb wird es im türkischen Pavillon, wo mit Dioramen und Szenarien nach Formen der architektonischen Einflussnahme auf die ökologischen Herausforderungen des Klimawandels gesucht wird. Farblich passt dazu wiederum gut der usbekische Pavillon einige Hallen weiter, wo die Schweizer Architekten Christ & Gantenbein mit einer gelben Rohrinstallation die Umrisse eines vernakulären Hofhauses nachzeichnen. Unter anderem mit Fotografien von Bas Princen präsentieren sie dort ihre Forschungen zu dieser Typologie.
Besonders sehenswert ist schließlich noch der Pavilion of Applied Arts, den das Londoner Victoria & Albert Museum seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Biennale ausrichtet. In diesem Jahr geht es mit „Three British Mosques“ um verschiedene Formen islamischer Bethäuser zwischen Neubau und Bestandsumwandlungen. Mit 1:1-Modellen werden unter anderem kulturelle Praktiken offengelegt, die solchen architektonischen Transformationen zu Grunde liegen.
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