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24.02.2021
Jenseits von Zahlen
Die Wohnraumoffensive zieht Bilanz
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ixamotto | 25.02.2021 09:21 Uhr@Jan
Da gibt's aber eine Menge größerer und kleinerer Haken in ihrer Kalkulation:
- Dass eine WEG ein stärkeres sozialeres Gefüge bildet, als eine Mietergemeinschaft, läßt sich empirisch nicht bestätigen. Zunächst einmal handelt es sich dabei um eine Zweck- oder sogar Zwangsgemeinschaft, die vorrangig dem Ziel dient, individuelles Wohneigentum zu schaffen, zu erwerben und zu halten. Dieses Wohneigentum ist natürlich mit hohen Kosten in der Refinanzierung verbunden und absorbiert eine Menge Aufmerksamkeit, die sich gerade nicht auf die Gemeinschaft richtet. Das 'Miteinander agieren' gestaltet sich dann im Alltag häufig (ich forsche seit mehreren Jahren zu dieser Thematik und bin Mieter in einer WEG) als ein Gegeneinander oder zumindest ein gar nicht agieren – denn es gibt ja tatsächlich niemanden, der die Leute zur Interaktion anhalten kann. Eine derartige Konstellation äussert sich v.a. darin, dass Entscheidungen über Investitionen in das Sondereigentum mit enormen Konflikten verbunden sind oder unterlassen werden. Das lässt sich natürlich nicht generalisieren – es gibt immer auch kooperative WEG's. Aber die pauschale Aussage, WEG's bildeten ein "stärkeres soziales Gefüge" ist falsch.
Wohl dem, der bei Renteneintritt sein Wohneigentum refinanziert hat: Nehmen wir an, er lebt und arbeitet nicht in der Oberpfalz sondern im Großraum München, dann sollte er dafür möglichst früh gekauft haben, sprich in jungen Jahren solvent (sprich kreditwürdig) genug gewesen sein und keine Brüche in der Erwerbsbiografie aufweisen. Hoffen wir auch, dass die Nullzinspolitik in den Dekaden der Refinanzierung nicht aufgegeben wurde und dass es zwischenzeitlich kein Platzen einer Finanz-/Immobilienblase, so wie 2007/08 gegeben hat und die Bank plötzlich die Kohle zurückhaben wollte. Nehmen wir an, das ist geschafft. Hat er denn Rücklagen gebildet für Reparaturen, Instandhaltungs- und Sanierungskosten in der Eigentumswohnung, im Sondereigentum oder im Einfamilienhäuschen? Wollen wir's hoffen, denn "nur Betriebskosten" können sich ganz schön läppern.
Dann wäre da noch ihr Argument mit der Zweitwohnung, deren Refinanzierung durch die darin wohnenden Mieter ja bislang eine wesentliche Säule in der privaten Altersvorsorge darstellte. Und die wollen sie jetzt also besteuern? Ein schöner Gedanke, aber dann beißt sich ihre Versorgungskatze in den Schwanz...
Und solange sie nicht das Eigentums- und damit Verwertungsmonopol an Grund und Boden angehen, sollten sie sich auch keine Hoffnung machen, die Spekulation mit Wohnraum unterbinden zu können. Wie bereits gesagt: Die Steuerförderungen oder -belastungen werden von denjenigen Akteuren, die solche Monopole besitzen einfach umgelegt. Z.B. auf diejenigen, die zur Altersvorsorge die Flucht ins Eigentum antreten wollen.
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Jan | 24.02.2021 22:38 Uhr@ixamotto
Die sozialen Aspekte liegen auf der Hand:
Eine Hausgemeinschaft von Wohnungseigentümern bildet ein stärkeres soziales Gefüge, da sie gehalten ist stärker miteinander zu interagieren als eine anonymere Mietergemeinschaft.
Der Schutz vor Altersarmut ist natürlich dadurch gegeben, dass man zum Renteneintritt im abbezahlten Wohnraum beherbergt ist und nur Betriebskosten zu zahlen sind und keine Miete.
Eine Grundsätzliche Änderung der Besteuerung könnte so aussehen, dass für jede genutzte Immobilie ab der zweiten ein anwachsender Steuersatz zu entrichten wäre. Z.B. +10% je zusätzliche Immobilie, dass es ab einem Punkt unrentabel wäre mit Vermietungen Gewinn zu machen.
Eine Ausnahme bildeten dann Wohnungsbaugesellschaften in öffentlicher Hand und gemeinnützige Genossenschaften.
Ohne Aussichten auf Gewinn wäre so Wohnraum als Spekulationsobjekt unattraktiv.
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ixamotto | 24.02.2021 18:14 Uhr@Jan
"Neben vielen positiven sozialen Aspekten ist Wohneigentum bekanntlich ja der effektivste Schutz vor Altersarmut."
Können sie diese Behauptung belegen? Sie tun so als sei das anerkanntes Allgemeinwissen.
Wenn sich gutverdienende Architekten das schon nicht leisten können, wie viele Steuermilliarden möchten sie denn dann bitte in die Eigentumsförderung schiessen, damit das Normal- oder Geringverdiener auch können? Da reiben sich ausserdem die Bodenspekulanten und institutionellen Bauträger jetzt schon die Hände: Die werden diese Förderung schon in ihre Renditen einpreisen. So wie einst bei der Eigenheimzulage...
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Jan | 24.02.2021 16:13 Uhrein Trauerspiel
Und mal wieder wurde nichts über Bürokratieabbau und Normenvereinfachung oder zumindest Normenangleichung diskutiert.
Das Planen müsste doch in erster Linie vereinfacht werden; B-Plan- und Baugenehmigungsverfahren simpfifiziert und beschleunigt.
Die Unmengen an Vorschriften unnötigen Gutachtern und Spezialfachplanern verleiden jedem Bauherrn oder Baugruppen jede Lust am Bauen.
Interessant wäre auch zu erfahren, warum niemand der Beteiligten bestrebt ist Wohneigentum in Eigennutzung zu fördern - und zwar nicht das Einfamilienhaus, sondern die Wohnung in der Stadt. Neben vielen positiven sozialen Aspekten ist Wohneigentum bekanntlich ja der effektivste Schutz vor Altersarmut.
Es ist schon sehr traurig, dass Junge Architekten - bei weitem keine Geringverdiener sich keine Wohnung in den Metropolen mehr leisten können. (Außer vielleicht eine unsanierte Zweizimmerbruchbude aus den Nachkriegsjahren...)
Berlin. Foto: Pavel Nekoranec via unsplash
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Stefan Frischauf | 25.02.2021 21:02 UhrDie Bodenfrage und die versteckte Inflation
Eigentlich viel zu wichtig, das Thema, als dass hier ein einsamer Diskurs von einem, ich denke mal jüngeren Kollegen (@Jan) und einem etwas erfahreneren älteren Kollegen(@ixamotto) alleine stehen sollte.
Wo also anfangen?
Mit manchem hat Jan ja Recht: Bürokratieabbau und vor allem - weniger Beratungsresistenz und / oder Lobbyhörigkeit von Seiten der Politik wäre ein Punkt.
Aber bekanntlich muss man ein Thema schon von mehreren Seiten anpacken, um es in den Griff zu bekommen. Und dass Eigentum und seine Verpflichtungen für viele eher Belastung als "Freiheit" sind: da hat ixamotto sicher auch Recht. "One size never fits all". Es gibt immer solche und solche und für und wider.
Die "Bodenfrage", die Florian Hertweck sicher unter Kollegen am weitesten ausgearbeitet und betrachtet hat, der Bestand, der alleine schon im Hinblick auf die Entropie, also Begrenztheit von Flächen und Boden immer noch völlig vernachlässigt wird als wichtigste Ressource; anderes Stichwort "graue Energie", die "Zahmheit" dabei von Kammern und Verbänden, die immer mehr durch die Decke schießenden Bodenpreise, die insofern auch das wesentliche Element der Daseinsfürsorge, das "Bleiben und Wohnen" immer mehr zum Luxus werden lässt u.v.m.: die Komplexität der auch ideologischen Verfahrenheit beim "Fahren auf Sicht" bei diesem Thema: man wünscht sich da viel mehr Interesse und Initiative, das Thema auch eben von mehreren Seiten anzupacken. Nicht nur hier im Baunetz. Auch und gerade an den Hebeln der Macht. Dass die "Offensive" eher eine der "ständigen statistischen Mogelpackungen" ist, das sollte eigentlich viel mehr Protest auslösen. Schließlich gehts für alle um ein existenzielles Gut. Vielleicht gar: ein Grundrecht.