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24.02.2021

Jenseits von Zahlen

Die Wohnraumoffensive zieht Bilanz


Gestern zogen die Beteiligten der vor über zwei Jahren gestarteten Wohnraumoffensive Bilanz. Die Botschaft aus dem Ministerium von Horst Seehofer lautet: Neubau von Wohnungen erreicht Rekordniveau. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit.

Von Friederike Meyer


Angesichts von steigenden Mieten, hohen Grundstückkosten und knappem Wohnraum saßen im September 2018 rund 120 Vertreter von Berufs-, Eigentümer- und Baulobbyverbänden mit Politikern zum Wohngipfel im Kanzleramt zusammen. Sie sprachen über bezahlbaren Wohnraum, beschleunigte Planungsverfahren, das Mietrecht, die Baulandmobilisierung und die Senkung von Baukosten. Und sie verabschiedeten ein Maßnahmenpaket für bezahlbares Wohnen in Deutschland: die Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen. Darin war unter anderem von 1,5 Millionen neuen Wohnungen die Rede, von über 100.000 Sozialwohnungen, vom Baukindergeld, einem überarbeiteten Mieterschutzgesetz und der Grundsteuerreform.

Gestern, knapp zweieinhalb Jahre später, zogen die Beteiligten auf einem digitalen Kongress Bilanz. Laut Horst Seehofers Ministerium ist die Wohnraumoffensive „außergewöhnlich erfolgreich“. Bis zum Ende der Legislaturperiode werden in Deutschland 1,5 Millionen neue Wohnungen fertig gestellt oder im Bau befindlich sein, heißt es in der Presseerklärung des BMI. Und weiter: „Im Jahr 2020 sind zum ersten Mal seit 2001 wieder mehr als 300.000 neue Wohnungen innerhalb eines Jahres gebaut worden. Zudem wurde der Bau von Sozialwohnung massiv vorangetrieben und die vereinbarte Bewilligung von 100.000 neuen Sozialwohnungen in vier Jahren deutlich übertroffen.

Kritiker bescheinigten Seehofer eine eher mittelmäßige Bilanz und warfen ihm Schönrechnerei vor. Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund sagte, das Ziel, 100.000 Sozialwohnungen zu schaffen, sei zwar erreicht, aber von Beginn an unambitioniert gewesen, denn es fielen derzeit mehr Sozialwohnungen aus der Bindung als dass neue gebaut würden. Er forderte 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr zu bauen. Ralph Spiegler von der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände verlangte in Bezug auf die Baulandmobilisierung stärkere Steuerungsmöglichkeiten für Kommunen, etwa durch erweiterte Vorkaufsrechte sowie eine Erhöhung der Städtebauförderung auf 1,5 Milliarden Euro jährlich. Diese liegt derzeit bei 790 Mio. Euro pro Jahr und wurde mit dem Ziel Erhalt und Revitalisierung von Stadt­ und Ortskernen um ein neues Programm „Leben­dige Zentren“ weiterentwickelt. Den Vertretern der Immobilienwirtschaft geht erwartungsgemäß alles viel zu langsam. Sie kritisierten die nach wie vor hohen Baukosten und die zu geringe Förderung von Wohneigentum. Damit die hochgesteckten Ziele koordiniert und umgesetzt werden können, brauche es in der kommenden Legislaturperiode dringend ein eigenständiges Bundesministerium für Wohnen und Bauen, so Axel Gedaschko vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW.

In die Diskussion über die Lesart von Zahlen und Kosten brachte die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer Barbara Ettinger-Brinckmann vor allem qualitative Argumente ein. Sie fasst die Punkte eines Positionspapiers zusammen, das die Bundesarchitektenkammer (BAK), die Bundesingenieurkammer (BIngK), der BDA und die Deutsche Energie-Agentur (dena) anlässlich des Bilanzkongresses erstellt hatten. Dieses richtet den Blick unter anderem auf qualifizierte Vergabeverfahren und den Nachwuchs, vor allem aber auf die Stichpunkte Aufstockung, Nachverdichtung und Umnutzung. Ettinger-Brinckmann regte einen Kataster der Potentiale an, den die Kommunen erstellen, um zusätzliche Bodenversiegelung zu minimieren. Dass auch Seehofer davon spricht, dass „wir in den kommenden Jahren... insbesondere die Innenstädte und die Dorfkerne revitalisieren müssen, bevor wir neue Baugebiete an den Rändern ausweisen“, ist ein positives  Zeichen. Dass über eine konsequente Kreislaufwirtschaft, über graue Energie und eine sozial gerechte Bodenordnung bisher nichts in der Wohnraumoffensive steht, gilt es unbedingt zu ändern.


Zum Thema:

Das 24 Seiten starke Papier zum Umsetzungsstand der Wohnraumoffensive findet sich unter www.die­-wohnraumoffensive.de.


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Berlin. Foto: Pavel Nekoranec via unsplash

Berlin. Foto: Pavel Nekoranec via unsplash


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