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01.11.2023
Buchtipp: Stadtwerdung im Zeitraffer
Die Fotografische Langzeitbeobachtung Schlieren 2005-2020 zeigt, wie sich das Schweizer Mittelland entwickelt
Was für ein Durchhaltevermögen! 15 Jahre lang haben Meret Wandeler, Ulrich Görlich und Caspar Schärer den Wandel der Gemeinde Schlieren bei Zürich dokumentiert. Und zwar mit einem fotografisch streng konzipierten Projekt: 2005 legten sie über 60 Standorte fest, an denen sie alle zwei Jahre aufs Neue den exakt gleichen Blick fotografisch festhielten. Ihr Ziel: Den damals bereits klar voraussehbaren Wandel der Agglomerationsgemeinde zu dokumentieren, die beispielhaft für die städtischen Entwicklungen am Rande der Metropole Zürich steht.
Das Ergebnis ihrer Arbeit liegt nun vor. Stadtwerdung im Zeitraffer ist der schöne Titel des Buches, dessen geradezu barock ausufernder Untertitel Die fotografische Langzeitbeobachtung Schlieren 2005–2020 zeigt, wie sich das Schweizer Mitteland entwickelt erstmal keine Fragen offen lässt, um was es ganz grundsätzlich in der kiloschweren Publikation geht. Stadtwerdung im Zeitraffer besteht aus zwei Bänden: Im Archiv-Band findet man die je acht Aufnahmen pro Standort, im Essay-Band reichlich Reflexionen zum Thema.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Stadtwerdung im Zeitraffer ist kein Fotobuch (dafür ist es auch in seiner Gestaltung zu sachlich, fast schon profan). Und das ist die eigentliche und herausragende Qualität der Publikation. Die Fotos sind eben mehr als eine konzeptionell-serielle Dokumentation, die die mehr oder weniger gelungenen Neubauten und das Verschwinden pittoresk verschlafener Ecken zeigt. Sie sind im besten Sinne Arbeitsgrundlage für eine umfangreiche Auseinandersetzung mit Schlieren. Folgerichtig ist der Essay-Band weitaus dicker als der Archiv-Band.
Wobei Essay hier wiederum als Bild- und Textessay verstanden wird. Neben elf Texten, die unter anderem die Entwicklung Schlierens und die Akteure im Hintergrund genau beschreiben, gibt es auch 16 thematisch-typologische Fotoessays. Besonders erfreulich ist das abschließende Kapitel „Atlas“, in dem umfangreiches Kartenmaterial die Entwicklung Schlierens, die Stadtentwicklungskonzepte der Büros Metron (Brugg), Albert Speer + Partner (Frankfurt am Main) und des Bureaus für Raumentwicklung (Zürich) und weitere Planungsprozesse detailliert und professionell nachvollziehbar macht.
632 Seiten umfasst die gesamte Publikation. Sie endet mit einem einzelnen, kleinen Foto, das einsam die Last der Schlusspointe zu tragen hat. Man sieht einen sorgsam gepflegten Pflanztrog vor einer kühl glänzenden Bürohausfassade, heruntergelassene Jalousien, alles sauber vollversiegelt mit Asphalt. Es ist eine Momentaufnahme, die nicht nur für die bauliche Realität der Schweiz steht, sondern auch über Schlieren hinausweist in all die Neubau- und Entwicklungsgebiete, die momentan geplant und gebaut werden. Ob als Vorbild oder Mahnung bleibt den Leser*innen überlassen.
Text: Gregor Harbusch
Stadtwerdung im Zeitraffer. Die Fotografische Langzeitbeobachtung Schlieren 2005–2020 zeigt, wie sich das Schweizer Mittelland entwickelt
Meret Wandeler, Ulrich Görlich, Caspar Schärer (Hg.)
2 Bände im Schuber, 632 Seiten
Scheidegger & Spiess, Zürich 2023
ISBN 978-3-03942-139-8
77 Euro
Das Buch ist auch in englischer Fassung erschienen.
Zum Thema:
Das Buch erhielt vor zwei Wochen einen Preis beim DAM Architectural Book Award.
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Bachstrasse, Blick nach Nordwesten, Schlieren West, 2005
Bachstrasse, Blick nach Nordwesten, Schlieren West, 2009
Bachstrasse, Blick nach Nordwesten, Schlieren West, 2019
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