Seit Samstag ist das neue „Militärhistorische Museum der Bundeswehr“ in Dresden für die Öffentlichkeit zugänglich (siehe BauNetz-Meldung vom 13. Oktober). Bereits das Eröffnungswochenende sah einen Besucheransturm, der die Drehtür am Haupteingang mehrfach zum Erliegen brachte. Es ist zum einen die spektakuläre Architektur Daniel Libeskinds, die die Scharen lockt – zum anderen sind es aber sicher auch die heikel-populären Themen Krieg und Militär. Es ist beruhigend, dass die Bundeswehr sich hier kein Museum bauen ließ, in dem der Krieg inszeniert oder allzu penibel-technokratisch dokumentiert wird. Ebenso wenig wird das Militär hier als niedliche Zinnsoldaten-Armee verharmlost. Die Bundeswehr – immerhin eine Armee im Krieg – gibt sich betont kriegskritisch und thematisiert die „Gewalt in der Gesellschaft“, deren organisierteste Form der Krieg ist.
Für die Gestaltung der riesigen Ausstellung (über 10.000 Exponate verteilt auf 13.000 Quadratmeter) haben die beiden Büros HG Merz und Holzer Kobler Architekturen eine Arbeitsgemeinschaft gebildet, die offensichtlich hervorragend funktioniert hat. Am Rande des Presserundgangs letzten Donnerstag gaben sich Barbara Holzer und Hans Günter Merz jedenfalls zufrieden und entspannt.
Prinzipiell organisieren sie die Ausstellung in zwei Teilen. Vom Altbau werden drei Flügel bespielt, einer im Erdgeschoss und zwei im Obergeschoss. In die großen Hallen des ehemaligen Waffenarsenals wurde ein Labyrinth aus tiefen schwarzen Vitrinen eingezogen. Die bestehenden Räume wurden hingegen weiß gestrichen, sodass die Altbaudecke mit den mächtigen Pfeiler (EG) bzw. den schmalen Metallstützen (OG) wie ein Walddach über den Vitrinen sichtbar bleibt.
In diesen Vitrinen wird die Chronologie gezeigt, hier werden die stolzen Stücke aus den Archiven des Sächsischen Militärs vom Mittelalter an gezeigt, in drei Abteilungen durchläuft man die Geschichte bis zu den Einsätzen der Bundeswehr beim Oderhochwasser und in Afghanistan. Unterbrochen wird dieser Rundgang immer wieder in den Räumen des „Keils“, den Libeskind durch den Altbau treibt. Hier sind die Räume großzügiger, die Wände immer schrägwinklig und es öffnen sich Blicke tief in den Altbau. Hier befinden sich neun freiere und aktuellere Themeninseln, die Verbindungen zu Themenkomplexen wie „Militär und Musik“, „Militär und Mode“ oder „Militär und Tiere“ zeigen. Hier werden die Verflechtungen zwischen Krieg und Gesellschaft zum Thema, Kriegsfilme werden gezeigt und die Verwendung abgerichteter Tiere für militärische Zwecke. Es wird gezeigt, wie der Trenchcoat die zivile Modewelt betrat oder woher der Begriff „Gassenhauer“ kommt. Einer der eindrücklichsten Räume zeigt Kinderspielzeug vom Zinnsoldaten bis zum Playmobilritter und an der schrägen Wand hängen Fahrzeuge eines Kinderkarussels: Kampfjets, Panzer und ein Fahrzeug üppig mit silbernen Maschinengewehren bestückt.
Die Ausstellung agiert äußerst geschickt mit den beiden verschiedenen Sorten von Räumen, die hier angeboten werden. Die Farbgebung und die Gestaltung der Vitrinen unterscheidet sich in den historischen Hallen grundlegend von der im Neubau – dennoch zieht sich eine ähnliche Atmosphäre durch die gesamte Ausstellung. Inhaltlich gelingt der Spagat, das brisante Thema abzubilden und nirgendwo zu verniedlichen oder allzu sehr zu abstrahieren – und sich doch gleichzeitig von der aufdringlichen Symbolik der Architektur abzusetzen.
Es ist hier insbesondere deswegen eine beeindruckende Ausstellung gelungen, weil sie die ruhigeren und subtileren Töne betont; in der Gestaltung und beim Inhalt. „Es ist überall so viel Gewalt zu sehen, sie ist ständig um uns herum, da müssen wir in der Ausstellung ja damit nicht auch noch ins Haus fallen“, erzählt Merz und Barbara Holzer ergänzt: „Das Spannende ist doch, dass die Besucher die Bilder der Gewalt aus ihrem Alltag bereits mitbringen in das Museum, aus den Filmen oder aus der Tageszeitung. Wir wollen in der Ausstellung lieber die Konnotationen mit diesen mitgebrachten Bildern wecken.“ Das gelingt an vielen Stellen auf beeindruckende Weise und ohne allzu plakativ werden zu müssen. Der Besucher sieht hier den Krieg nicht nur in der Distanz, sondern er wird mehr und mehr zum Teil der Ausstellung und der Fragestellung, wie Gewalt entsteht und wer sie wann auszuüben bereit ist – bis man am Ende des Rundgangs ganz oben in das „Dresden Panorama“ gelangt, wo einer der stärksten architektonischen Momente zu erleben ist. Wenn man aus dem Gebäude auf die schiefe Brücke im Keil hinaus tritt und hinter den schrägen Metallgittern die Dresdner Skyline sieht. Mit Verweis auf das Bombardement im Februar 1945 gerät hier tatsächlich das gesamte Stadtpanorama aus den Fugen und für einen Moment macht die aufdringliche Brutalität der Architektur Sinn.
„Es ging uns bei der gesamten Gestaltung um diese Momente der Reflektion und des Innehaltens, bei denen man erst auf den zweiten Blick die Abgründe der Gewalt entdeckt“, sagt Holzer. „Den Besucher also die ganze Zeit nur mit betont gewalttätigen Bildern zu konfrontieren wäre sicher kontraproduktiv gewesen. Irgend wann schaltet man sonst einfach ab.“ Die Ausstellung erschafft also einen gelungenen Gegenpol zur Architektur Libeskinds und insofern eine äußerst sehenswerte und vielfältige Reflektion zum Thema Gewalt, Krieg und Militär – auch wenn weitere denkbare Bereiche wie „Verantwortung des Einzelnen“, „Demütigungen beim Bund“ oder „Kriegsdienstverweigerung“ wohl wegen des Bauherren ausgespart wurden.
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Manda | 07.11.2011 00:14 UhrDresdenblick eröffnet Rundgang.
Dem Leitsystem der Ausstellungsmacher folgend, beginnt der Rundgang im obersten Geschoss mit dem Dresdenblick. Danach wickelt sich die Ausstellung von oben nach unten herab.
Nur so.
Grüsse.