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02.07.2012

Reduce Reuse Recycle (3): Gerhard Matzig

Die BauNetz-Kolumne vor der Biennale


Am 29. August 2012 wird die 13. Architekturbiennale in Venedig eröffnet. Das Thema des deutschen Beitrags „Reduce Reuse Recycle – Ressource Architektur“ stammt von Muck Petzet. Wir nutzen die Gelegenheit und lassen unsere Autoren rund um das „Wenigerbauen“ schreiben. Der Münchener Journalist Gerhard Matzig hat sein Eigenheim auf einem eigentlich unbebaubaren Restgrundstück errichtet.

Vermeiden, weiterverwenden, wiederaufbereiten: Das ist das Mantra der Du-musst-dein-Leben-ändern!-Religion. Man weiß gar nicht, welches Wort man mehr, nun, vermeiden möchte. Was soll man denn noch alles vermeiden? Müll. Abfall. Fleisch. Alkohol. Tabak. Altersarmut. Bankkrisen. Kohlendioxid. Falschparken. Die FDP. Ein schlechtes Karma. Vermutlich auch Nierensteine. Zu beachten wäre natürlich auch die Checkliste „zur Vermeidung von Rassismen“.

Das Vermeidungsverhalten ist übrigens das Gegenteil vom Erkundungsverhalten, während das eine mit Furcht, Angst und Starre zu tun hat, beruft sich das andere auf die Neugier. Doch in diesem Wort steckt das vermaledeite „neu“, das wohl noch nie so alt aussah wie eben derzeit. Weiterverwenden kann man noch gut den alten Mantel, das alte Auto und natürlich auch das alte Haus. Und so, wie das Wiederaufbereiten alter Lkw-Plastikplanen zu einer, sagen wir, vor zehn, fünfzehn Jahren durchaus angesagten Alt-Lkw-Plastikplane-Tasche namens „Freitag“ geführt hat, also zu einem It-Bag mit Gummigeruch, so führt jetzt im deutschen Pavillon der Biennale das Wiederaufbereiten zu einer It-Ausstellung der Austerity-Ära. Der deutsche Pavillon könnte einem Recyclinghof ähnlich sein.

Für einen Menschen, der gelungene Architektur mag, gelegentlich sogar das sogenannte „neue“ Bauen, für so einen Menschen erinnert das Wort „Architekturvermeidung“ etwas zu sehr an den Begriff „Müllvermeidung“. Es ist wie mit diesen kleinen, oft etwas verblichenen Hinweisschildchen der Hotels, wonach man sich bitteschön entscheiden solle: Handtuch auf dem Boden bedeutet Auswechseln, Handtuch auf der Stange bedeutet, man benutzt es gerne weiter. Weshalb man also ein Mensch ist, der weiß, wie es um die Ressourcen der Welt bestellt ist. Der deutsche Beitrag ist ein solches Schildchen.

Und natürlich ist dieser Biennale-Beitrag erstens sehr klug, zweitens sehr wahr, drittens sehr verantwortlich und viertens sehr notwendig, wenn nicht, fünftens, sehr angesagt, ja modisch. Was zugegebenermaßen paradox erscheint. Verrückterweise würde man vom deutschen Pavillon vielleicht sehr gerne in einen Pavillon weiterziehen, der sich, ganz altmodisch, für das Neue begeistert. Ja, schon gut: Das Alte ist das neue Neue.

Das ist das, was man dem 20. Jahrhundert wirklich übel nehmen muss. Es hat ein 21. Jahrhundert der Bußgesänge und Selbstgeißelungen hervorgebracht. Man kann dem deutschen Beitrag zur Weltrettung unmöglich böse sein. Alles, was in diesem Pavillon gezeigt und gesagt werden wird, wird recht und gerecht und vielleicht sogar selbstgerecht sein. Wie auch immer: Auch ich will von nun an umkehren, also vermeiden, weiterverwenden und wiederaufbereiten. Handtücher, Lkw-Planen, Häuser. Wohl auch den Satz „Less is more“. Man hätte ja nie gedacht, dass der mal so furchtbar wahr werden würde.

Gerhard Matzig

Unsere erste Kolumne von Wolfgang Kil berichtet von wiedergenutzten Nachkriegspavillons an Warschauer S-Bahn-Stationen, während Christian Welzbacher uns zu den Kühen und den Smithsons führt.


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