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21.06.2012

Reduce Reuse Recycle (2): Christian Welzbacher

Die BauNetz-Kolumne vor der Biennale


Am 29. August 2012 wird die 13. Architekturbiennale in Venedig eröffnet. Das Thema des deutschen Beitrags „Reduce Reuse Recycle – Ressource Architektur“ stammt von Muck Petzet. Wir nutzen die Gelegenheit und lassen unsere Autoren rund um das „Wenigerbauen“ schreiben. Der Historiker und Publizist Christian Welzbacher führt uns zu den Kühen und den Smithsons.

Verweigerung als Strategie?
 
Verweigerung als Strategie! Statt auf der grünen Wiese ein Gewerbegebäude zu errichten, stellt ein Architekt Büromöbel in die Botanik. Die PCs werden über Solarpaneele betrieben. Gegen Regen helfen Schirme. Bei Kälte macht die Belegschaft Urlaub. Auf die Frage, was sein Entwurf solle, sagt der Architekt: „Der geringste Eingriff ist manchmal der Beste. Und gar keine Veränderung kann die allerbeste sein.“ Wenige Tage nach Eröffnung des „Bürokomplexes“ dringen die Kühe der Nachbarwiese auf das Baugrundstück. Sie schmeißen die Schreibtische um, fressen die Kabel aus den Rechnern und vertreiben die Mitarbeiter. Was übrig bleibt, wird dokumentiert und eingesandt zur Architekturbiennale Venedig 2012.
 
Architekturbiennale? Wieso Architektur? Exakt das ist die Frage, die Muck Petzet und Konstantin Grcic mit ihrem Biennalebeitrag aufrufen. Es geht um Grundsätzliches: Ist Architektur der Akt des Bauens? Eine Form des Denkens? Der Weltwahrnehmung? Ist sie, dies alles eingedenk, eine (angewandte) künstlerische Disziplin? Oder anders und einfacher gesprochen: Wozu bauen wir? Sich dieser entscheidenden Frage zu stellen, ist gut und wichtig – auch wenn zahllose „Architekten“ meinen, es betrifft sie nicht. Und kein Ort wäre dafür angemessener als Venedig, wo von jeher das Verhältnis von Planen, Bauen, Denken, Handeln, von Architektur und Moral austariert wird.
 
So ist es auch nebensächlich, dass ähnliche Fragen die Architekten schon nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs umgetrieben hatten, als eine Gruppe von Engländern die „Verweigerung als Strategie“ aus der Kunst übernahm und in eine ungeschlachte, rohe, „brutalistische“ Ästhetik des „As found“ münden ließ. Alison und Peter Smithson veränderten die Wahrnehmung von und auf Architektur, indem sie „Bauen“ auf Wesentliches zurückführten: Konzept, Material, Mensch. Liest man die Einlassungen von Petzet und Grcic zum diesjährigen Biennalebeitrag, so wird man nicht zufällig daran erinnert.
 
Inwiefern erscheint der Rückgriff auf eine über fünfzig Jahre alte Strategie sinnvoll? Ist es die wiederholte Auseinandersetzung mit der Spätmoderne (quasi „Architect’s Architecture“ durch „Non-Architecture“)? Gilt es, den „Neobrutalismus“ auszurufen – und wenn ja, wozu? Im großen Kontext hat die poetische Verweigerungshaltung von „Reduce, Reuse, Recycle“ durchaus ihre Aktualität. Immerhin geht es ins fünfte Jahr der globalen Krise, einer Krise, die nicht zuletzt durch „Architektur“ ausgelöst worden ist. Was wäre geschehen, wenn die Planer der Spekulationsimmobilien sich dem Druck der Investment- und Fondsgesellschaften verweigert hätten? Wenn sie statt BGF auf der grünen Wiese zu liefern einfach die Prärie möbliert und das Kapital an die Kühe verfüttert, sprich sozialisiert hätten? Wir wissen es nicht. Aber wir können darüber nachdenken. Hoffen wir daher, die politische Essenz der „strategischen Verweigerung“ wird von den Biennalebesuchern registriert.
 
Christian Welzbacher

Unsere erste Kolumne von Wolfgang Kil berichtet von wiedergenutzten Nachkriegspavillons an Warschauer S-Bahn-Stationen.


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