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29.06.2010

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Sehnsucht (eins): Walverwandtschaften

Die BauNetz-Kolumne vor der Biennale


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Am 29. August 2010 öffnet die 12. Architekturbiennale in Venedig ihre Pforten. Das Thema des deutschen Beitrags lautet „Sehnsucht – Ein Porträt der Sensibilität zeitgenössischer Architektur“, der von Cordula Rau, Eberhard Tröger und Ole W. Fischer konzipiert wurde. Wir nutzen die Gelegenheit und lassen jede Woche einen (oder mehrere) Autoren über Sehnsucht und Architektur schreiben – diese Woche beginnend mit zweien der drei Kuratoren, Cordula Rau und Eberhard Tröger:

„Sehnsucht“ mag  nach einem sehr deutschen Thema klingen. Deutschland ist über viele Epochen hinweg vom Klang dieses Wortes geprägt worden, das tatsächlich auch in kaum eine andere Sprachen übersetzbar scheint, und die deutsche Architekturgeschichte ist reich an Sehnsüchten: in der Italomanie des Klassizismus ebenso wie in der Mittelalter-Begeisterung der Romantik, aber auch in der erstrebten Einheit von Technik, Kunst und Leben des Bauhauses wie im Traum vom demokratischen Neuanfang der Nachkriegszeit und dem Suchen nach einer einheitlichen Architektursprache für die wiedervereinigte Berliner Republik.

Die aktuelle Auseinandersetzung für und wider die Moderne ist auch ein Streit um Wahrnehmungen, Sehnsüchte und Träume. Die scharfe Debatte um die Rekonstruktion bedeutender historischer Gebäude zeigt dies deutlich. Hier dient die Vergangenheit als retrospektive Projektionsfläche für unerfüllbar scheinende Sehnsüchte der Gegenwart. Im viel beschworenen Projekt einer neuen nachhaltigen Architektur keimt erneut der Wunsch nach Einheit und Harmonie mit der Natur, nach einer Verschmelzung von Kultur, Technik und Umwelt.

Jenseits einer deutschen Romantik oder sonstigen Orts- oder Zeitgebundenheit liegt im Thema „Sehnsucht“ aber etwas viel Grundlegenderes: Der emotionale, intime und sinnliche Aspekt der Architektur, der sich in der inspirierenden Vorstellungswelt von Planern und Architekten darstellt. Diese flüchtigen, immateriellen Motive, die oft genug nur in den Köpfen der Kreativen bleiben, sind die primär gestalterischen Kräfte, die dauerhafte Spuren in den Werken, Produkten und Diskursen einer Kultur hinterlassen.

Jede kreative Arbeit beginnt mit Sehnsucht, und sie wird bis zum Schluss von ihr begleitet. Kreatives Arbeiten ist immer persönliches Arbeiten. Architektur kann zwar nicht – wie die Kunst – eine zweckfreie, quasi spirituelle und sehr individuelle Sehnsucht verfolgen. Aber sie stellt Orte, Räume und Situationen her, die durch Materialien und Gegenstände und deren Gerüche, Klänge und Licht unsere Erinnerung prägen. Demzufolge kann Architektur als körperliche Erfahrung einen Anklang auf die Möglichkeit einer Einheit erzeugen. Sie kann eine Saite zum Schwingen bringen, die das Gefühl eines grundlegenden „Behaustseins“ auf der Welt auslöst.

Cordula Rau und Eberhard Tröger sind gemeinsam mit Ole W. Fischer die „Walverwandtschaften München Zürich Boston“. Sie sind die Generalkommissare für den deutschen Pavillon bei der Architekturbiennale 2010 in Venedig: www.sehnsucht-biennale.de


Zum Thema:

Download der BAUNETZWOCHE#178 „Sehnsucht“


 
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v.l.: Cordula Rau, Eberhard Tröger, Ole Fischer

v.l.: Cordula Rau, Eberhard Tröger, Ole Fischer


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