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28.02.2024

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Buchtipp: Berlin kommt wieder

Die Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberger


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Manchmal ist mit einer simplen Übersichtskarte überraschend viel gesagt. So ist es etwa bei „Berlin kommt wieder“. Die Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberger. Die Autor*innen Karin Wilhelm, Johann Sauer und Nicole Opel ließen nämlich ganz vorne und ganz hinten eine schlichte Karte der West-Berliner City rund um den Bahnhof Zoo drucken, auf der sie alle Projekte verorteten, die das Duo Paul Schwebes (1902–78) und Hans Schoszberger (1907–97) hier nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs plante und baute – und die Betonung liegt hier eindeutig auf „baute“.

Bevor man überhaupt eine einzige Zeile in der 450 Seiten schweren Monographie gelesen hat, wird sofort klar: Schwebes und Schoszberger gehören zu den prägenden Architekten im West-Berlin des Kalten Kriegs. Die Karte weist obendrein darauf hin, dass sich die beiden extrem erfolgreich im Bereich der Geschäfts- und Kaufhäuser, der Büro- und Hotelbauten bewegten – also jenen Bauaufgaben, die im Wiederaufbau des kapitalistischen Westens das innerstädtische Bild besonders prägten und von den ökonomischen Erfolgen der Frontstadt erzählen sollten.

Begonnen hatte die Karriere der beiden Architekten bereits vor dem Krieg. Schwebes, geboren in Stargard, studierte 1922–27 Architektur an der Technischen Hochschule in Berlin, sammelte bei Hans Poelzig und Bruno Paul erste Arbeitserfahrungen und machte sich 1932 selbständig. Er startete im Dritten Reich seine erfolgreiche Karriere, teilweise mit staatlichen Aufträgen, auch im Umfeld des Generalbauinspektors Albert Speer. Direkt nach dem Krieg reaktiviert er sein Büro und baut es – ab 1956 in Partnerschaft mit Schoszberger – zu einem der erfolgreichsten Büros West-Berlins aus.

Schoszberger wiederum stammte aus Mähren und studierte 1925–31 an der Deutschen Technischen Hochschule Brünn. Anschließend ging er nach Berlin, promovierte und schrieb unter anderem für die Bauwelt zum Thema Luftschutz. Nach der nationalsozialistischen Rassenlogik galt Schoszberger als „Halbjude“. Über sein Leben während des Dritten Reichs konnten die Autor*innen wenig herausfinden, bis auf eine wenige Wochen dauernde Tätigkeit im Sommer 1940 im Büro von Ernst Neufert, wo er für Luftschutz zuständig war. Nach dem Krieg und bis zum Beginn der Zusammenarbeit mit Schwebes war er bühnenbildnerisch tätig, in BDA und Werkbund aktiv, Lehrbeauftragter und viel gefragter Juror in Architekturwettbewerben.

Nur zwölf Jahre dauerte die erfolgreiche Partnerschaft, was angesichts der schieren Menge an Projekten mehr als erstaunt. Das Buch zeigt freilich auch alles, was die beiden vor und nach ihrer Zusammenarbeit und auch jenseits von Berlin planten und bauten. Die extrem produktive, gemeinsame Tätigkeit während des Wiederaufbaus steht jedoch im Zentrum. Das Telefunken-Hochhaus (1958–60) am Ernst-Reuter-Platz, das Hotel Hilton (1955–58) am Rand des Zoologischen Gartens, vor allem aber das Zentrum am Zoo (1955–57) dürfen als die bekanntesten Bauten des Büros gelten.

Es gibt viel zu lesen, viele Fotos und Pläne sowie einen wissenschaftlich fundierten Werkkatalog. Am schönsten sind aber vielleicht die historischen Dokumente auf den letzten 30 Seiten der Publikation, denn hier wird die Architektur von Schwebes und Schoszberger unmittelbar greifbar. „100.000 stürmten Neckermann“ titelte etwa Bild am 9. Oktober 1964 mit Blick auf die Eröffnung des Kaufhauses an der Ecke Kant- und Wilmersdorfer Straße. Über 50 Polizisten seien im Einsatz gewesen, es gab mehrere Verletzte und zerborstene Schaufensterscheiben. Die neue Architektur wurde hier zum Schauplatz des damaligen Konsumwahns.

Fast etwas verschämt stehen diese lebendigen Zeugnisse ganz am Ende des Buches. Von dort aus laden sie ein, nochmals zurück zu blättern und in die Tiefe der Forschungsergebnisse einzutauchen, die über viele hundert Seiten eine dichte gesellschaftspolitische Architekturgeschichte aus dem West-Berlin der Nachkriegszeit erzählen.

Text: Gregor Harbusch

„Berlin kommt wieder“. Die Architekten Paul Schwebes und Hans Schoszberger
Karin Wilhelm, Johann Sauer, Nicole Opel
456 Seiten
Jovis Verlag, Berlin 2023
ISBN 978-3-98612-002-3
58 Euro


Zum Thema:

Übermorgen, Freitag, 1. März 2024, stellen die Autor*innen Karin Wilhelm, Johann Sauer und Nicole Opel ihre Publikation im Bücherbogen am Savignyplatz (Stadtbahnbogen 593, 10623 Berlin) vor. Die Veranstaltung wird von Architekturkritiker Niklas Maak moderiert und beginnt um 19.30 Uhr.


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

7

slurry | 29.02.2024 15:37 Uhr

@>5

nicht zu vergessen das Planwerk von St., das in den Bezirken in den Schubladen der Beamten zur Orientierung für Ihre Entscheidung lag und an dem sie sich entlanghangelten.

6

arcseyler | 29.02.2024 13:41 Uhr

.......

vielleicht muss man von gebundener zu offener Gestaltung sprechen, der Architekten nach der NS Zeit sich so seltsam übergangslos hingaben. Also war die NS Architektur doch eher das vorübergehend erzwungene Korsett, wie auch danach die Stalinarchitektur.
Städtebau generell hat Probleme mit offener Gestaltung in wachsenden Strukturen.

5

... | 29.02.2024 11:38 Uhr

@arcseyler

Sie verkennen neben den vorgenannten noch zwei weitere aspekte, die Ihre historiographie dann doch etwas grobschlächtig wirken lassen:

- erstens lag und liegt die bauleitplanerische hoheit in berlin bei den bezirken, so dass bis zu stimmanns verrentung mitte der nullerjahre unzählige bauvorhaben nach §34 unter völliger umgehung der stimmann'schen doktrinen genehmigt werden konnten. und selbst da, wo, wie im falle des pariser platzes, der friedrichstadt oder dem architektonischen themenpark auf dem friedrichswerder vorgaben auf landesebene gesetzt wurden, wird doch auch sehr deutlich, dass es mit der berlinischen architektur nicht so weit hin ist, wie sich der senatsbaudirektor das gewünscht hätte.

- zweitens ist es wichtig, sich vor augen zu halten, wie viele nationalsozialisten nach 45 bundesrepublikanische karrieren gemacht haben und welche resonanzen das leitbild der gegliederten und aufgelockerten stadt mit der großstadtfeindlichkeit der nazis erzeugt hatte, auch wenn deren blut-und-boden-siedlungsbauprogramm explizit antimodern gewesen ist. johannes göderitz ist hier sicher eine schlüsselfigur, nach dem unverständlicherweise noch heute ein preis benannt ist. heir von freigelassenen zu schreiben, trifft es also m.e. nicht so wirklich, genausowenig, wie die architekten in ostberlin, die später u.a. den palast der republik, das staatsratsgebäude und den fernsehturm projektieren werden, schlicht als gefangene zu imaginieren.

im übrigen denke ich, dass architektur v.a. mit sozialer wirklichkeit zu tun hat und der begriff der wahrheit in diesem zusammenhang mehr verschleiert als er enthüllt. denn was ist wahrheit schon, wenn nicht die macht, fakten zu setzen, und was bitte macht eine fassade, die bekleidet und verhüllt, unwahr?

4

Hans ... | 29.02.2024 09:43 Uhr

@arcseyler

leider auch wie schon vorher ohne angezogene Handbremse die Hauptstadt Germania, nur etwas kleiner und ohne Albert Speer.
Bei den netten älteren Herren auf dem Mitarbeiter Foto fragt man sich, was die wohl für eine Vergangenheit hatten.

3

arcseyler | 29.02.2024 07:57 Uhr

........

Eingedenk ist aber noch der Fassaden und Traufhöhenkampf zur Baugenehmigung bei Stimmann. Das "Steinerne" Berlin.
Hier das genaue Gegenteil mit Gebäuden, die sich von innen heraus entwickeln. Diese Aufrichtigkeit ist sichtbar. Bauen hat mit Wahrheit zu tun.
Die Architekten auf Bild 2, das sind Freigelassene, im Gegensatz zu ihren Kollegen zur gleichen Zeit im Osten.

2

... | 28.02.2024 21:23 Uhr

@arcseyler

nach 1990 gab es leider genug architekten, die genauso wollten wie stimmann vorgab, dass man müsse - und das war das problem. andererseits waren es dann doch vor allem die kapitalverhältnisse, die die stadt unter stimmann geformt haben und nicht so sehr stimmanns planwerk oder seine imaginationen einer berlinischen architektur...

1

arcseyler | 28.02.2024 20:13 Uhr

.......

Man möchte sofort diese Startphase mit der von Stimmann vergleichen. Hier also ohne angezogene Handbremse, mit Landmarks, bei denen die Architekten konnten wie sie wollten und nicht, wie sie kurz vorher noch mussten. Bei Stimmann umgekehrt, als sie mussten, wie sie nicht wollten. Vergleichbar Stalins Bremse im Osten.

 
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