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26.04.2023

Buchtipp: Sprengkraft Raum

Deutschschweizer Architektur um 1970


Was für einen großartigen Titel dieses Buch hat – Sprengkraft Raum! Dazu passend das Foto auf dem Cover: ein Gebäude, aufgenommen in präzise dem Moment, in dem Löcher in die rauen Außenwände aus Sichtbeton gesprengt werden. Wunderbar, wie die Brocken durch die Luft schießen. Wer spontan an Arno Brandlhubers Anti-Villa denkt, liegt freilich weit daneben. Der sachliche und etwas langatmige Untertitel belehrt eines Besseren: Architektur um 1970 von Pierre Zoelly, Rudolf & Esther Guyer, Manuel Pauli und Fritz Schwarz.

Wer diese Namen nicht sofort zuordnen kann, dem sei verraten, dass es um Deutschschweizer Architekt*innen geht – und Rudolf und Esther tatsächlich die Eltern von Mike Guyer (Gigon Guyer Architekten) sind. Diese „5 Freunde/in“ (so der Arbeitstitel des Projekts) waren nicht zuletzt im Raum Zürich aktiv. Es gab diverse kollegiale und freundschaftliche Verbindungen – und ein starkes Verlangen, an der Schwelle von später Moderne und früher Postmoderne unkonventionelle architektonische Wege zu gehen. Eben dieser Punkt macht das Buch auch für Leser*innen jenseits der Schweiz interessant, zeugen die diskutierten Positionen doch von überraschenden, zuweilen geradezu irritierenden architektonischen Suchbewegungen irgendwo im weiten Feld zwischen Brutalismus, Regionalismus und frischen Impulsen aus den USA (um es etwas holzschnittartig zu formulieren).

Letztlich stellt das Buch zuerst die Werdegänge und biografischen Verflechtungen der fünf Protagonist*innen vor, um im Anschluss vor allem auf zwölf Projekte zu fokussieren, die ausführlich präsentiert werden. Das klingt profaner als es tatsächlich ist, denn die beiden Herausgeber Andri Gerber und Martin Tschanz sind erfahrene Forscher. Sie bewegen sich seit vielen Jahren in diversen Feldern der Schweizer Architektur. Auf ihre Auswahl und ihren Blick kann man sich also getrost verlassen.

Man findet in Sprengkraft Raum so unterschiedliche Bauten wie das Oberstufenschulhaus Stettbach (1961–67) von Rudolf & Esther Guyer in seinem klösterlich strengen Brutalismus, ein wunderbar Schweizer Thema wie die fulminante Neuinterpretation des Walliser Bauernhauses durch Pierre Zoelly im Ferienhaus Dr. Roethlisberger von 1971 oder Manuel Paulis seltsamen Gasthof Wallberg in Volketswil, der wie ein Kind der 80er Jahre wirkt – aber bereits 1963–68 entstand. Auch wer die Schweizer Architektur gut zu kennen meint, wird in Sprengkraft Raum einiges entdecken, das zum Sinnieren einlädt.

Text: Gregor Harbusch

Sprengkraft Raum. Architektur um 1970 von Pierre Zoelly, Rudolf  & Esther Guyer, Manuel Pauli und Fritz Schwarz
Andri Gerber, Martin Tschanz (Hg.)
256 Seiten
Park Books, Zürich 2022
ISBN  978-3-03860-299-6
48 Euro


Zum Thema:

Das Buch erschien im Zusammenhang mit einer Ausstellung, die im letzten Herbst in Winterthur gezeigt wurde. Vom 16. Mai bis zum 5. Juli 2023 wird die Ausstellung im Architekturforum Zürich (Zollstrasse 115, 8005 Zürich) zu sehen sein. Sie eröffnet am Montag, 15. Mai um 19 Uhr. Im Rahmenprogramm wird es am Mittwoch, 24. Mai ein Gespräch zwischen Stanislaus von Moos und Philippe Koch, am Donnerstag, 8. Juni eine Führung mit Mathis Füssler und Fritz Schwarz und am Mittwoch, 14. Juni eine Diskussionsrunde mit Irina Davidovici, Silke Langenberg, Regula Zwicky und Daniela Meyer geben.


Kommentare:
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Fritz Schwarz und Hans Litz, Sprengung von Fensteröffnungen im Zuge des Umbaus des Kiessilos in Wald, 1964

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Manuel Pauli, Gasthof Wallberg in Volketswil 1963–68

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Pierre Zoelly, Haus Röthlisberger in Jeizinen, 1971

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Rudolf und Esther Guyer, Oberstufenschulhaus Stettbach in Zürich, 1961–67

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