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18.09.2019

Buchtipp: Kaleidoskop der Stadtgestaltung

Designing Change. Professional Mutations in Urban Design 1980-2020


Der Urban Designer ist nur ein Akteur im komplexen Prozess der Stadtgestaltung. Aber es ist – so Eric Firleys Prämisse in seinem Buch Designing Change. Professional Mutations in Urban Design 1980-2020 – unmöglich, die Stadt ohne ihn zu gestalten. Denn er beziehungsweise sie ist in der Lage, gesellschaftliche Ziele und Programme in physische Formen und Räume zu verwandeln. Und diese Fähigkeit ist in Zeiten rapider Urbanisierungsprozesse und den damit einhergehenden dramatischen ökologischen, sozio-ökomonischen und politischen Umwälzungen wichtiger denn je. Firley, der deutsch-französische Wurzeln hat und seit 2011 an der University of Miami School of Architecture lehrt, stellt die Grundfrage: Wie können wir das Wissen und die Arbeitsmethoden der Städteplaner*in heute nutzen, um das Gemeinwohl zu fördern und das Ergebnis für die Bürger zu verbessern?

Das Buch geht dieser Fragestellung anhand einer komparativen Studie der theoretischen Standpunkte von zwölf Architekt*innen nach, die jeweils mit drei konkreten Bebauungsplänen illustriert werden. Herangezogen werden so unterschiedliche Protagonisten wie Winy Maas von MVRDV (Rotterdam), Finn Geipel von LIN (Berlin), Albert Speer von AS+P mit Michael Denkel (Frankfurt am Main), Elizabeth Plater-Zyberk von DPZ (Miami) und Liu Xiaodu von Urbanus mit Wang Hui (Shenzen) mit Projekten in Zentraleuropa, im Nahen Osten, in China und den USA. Es ist der nicht-normative Ansatz, in dem methodologisch diverse, sich mitunter widersprechende Theorien zusammenkommen, der das Buch zu einem bemerkenswerten Kompendium macht.

Das Spektrum der in den Interviews angesprochenen Themen ist breit und kann hier nur kursorisch angeschnitten werden: Bemerkenswert ist beispielsweise, dass der Fokus auf die Typologie des urbanen Blocks für Djamel Klouche von AUC (Paris) – nicht nur im französischen Diskurs – ausgedient hat. Statt dieses mittleren Maßstabes, schlägt er eine Kombination aus Mikro- und Makro-Maßstab vor, in dem scheinbare Banalitäten vor Ort mit den globalen Problemlagen unserer Zeit zusammengedacht werden müssen. Die Auseinandersetzung mit der historisch gewachsenen Stadt verliert an Bedeutung.

Adriaan Geuze
von West 8 (Rotterdam) wiederum hält das Konzept des Konzepts überhaupt für überbewertet. Statt des immens strapazierten Begriffs schlägt er einen kontextuellen Ansatz vor, der seines Erachtens besser bedeutungsvolle und möglicherweise sogar poetische Resultate in einer immer komplexer werdenden Realität ermöglicht. Winy Maas widerspricht ihm dahingehend, dass eher eine Multiplizierung des Konzepts die Antwort wäre.

Elizabeth Plater-Zyberk, eine der wichtigsten Fürsprecherinnen des New Urbanism, steht für eine bildliche Architektur, die sich auf vereinfachte historische Formen bezieht. Eine Strategie, die sich gar nicht erst mit intellektuellem Perfektionismus aufhält – und damit, wie Plater-Zyberk offen bekennt, in gewisser Weise städtebauliche „Propaganda“ darstellt.

Zur Sprache kommen im Laufe der Gespräche aber auch handfeste Themen wie die im Vergleich zur Architektur deutlich prekärere Beschäftigungslage im Urban Design und welche Folgen der mangelnde finanzielle Ausgleich auf die Strukturen der Büros hat. Gewinnend ist, dass Firley in den geführten Interviews der Schnittstelle zwischen Politik und Stadtgestaltung einen besonderen Stellenwert beimisst. Die besprochenen Ideen sind damit nie rein theoretische Gebilde, sondern besitzen den Anspruch auf Realisierbarkeit beziehungsweise werden durch die ausgeführten Projekte untermauert.

Dass eine Reihe von Fragen in jedem Interview zur Sprache kommen, unterstützt zudem die Vergleichbarkeit. Schließlich gibt das 512 Seiten starke Buch den jeweiligen Positionen genug Raum für eine detaillierte Behandlung der Themen. Es ist ein durchaus selbstbewusster Zug von Firley, das Buch mit dem Jahr 2020 in der Zukunft enden zu lassen – man muss aber kein Prophet sein, um in der Vielzahl der aufgeworfenen Sujets Streitfragen unserer Zeit herauszulesen, die uns noch lange darüber hinaus beschäftigen werden.

Text: Alexander Stumm

Designing Change. Professional Mutations in Urban Design 1980-2020
Eric Firley
512 Seiten
Englisch
nai010 publishers, Rotterdam 2019
ISBN 978-94-6208-481-0
49,95 Euro


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Jedes der zwölf Interviews wird mit drei Projekten der jeweiligen Architekt*in illustriert. Hier Adriaan Geuze: Borneo-Sporenburg, Amsterdam, Niederlande

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