Alles eine Frage des Hügels – das wird einem sofort klar, wenn man den britischen Pavillon betritt. Unübersehbar, dafür aber begehbar, dominiert er in saftigem Braun samt strahlender pinker Rahmung den Eingangsraum. Gerade der Hügel verbindet nämlich die britische Moderne mit der Vergangenheit, so die These der Kuratoren Sam Jacob und Wouter Vanstiphout, die den Beitrag zusammen mit der Kommissarin Vicky Richardson entwickelt haben.
Die Faszination der Briten für konische Hügel beginnt schon mit den keltischen Anlagen Südenglands und ihrer mystischen Aura. Seither haben sich Hügel über alle Zeiten und Stile hinweg auch in der Architektur und Stadtplanung ausgebreitet: in romantischen Parks, in Londons Reformwohnungsbau, in den Zeichnungen der Smithsons, aber auch als High-Tech-Hügel mit Yogazentrum, einem Projekt für die Retortenstadt Milton Keynes aus den Siebzigern.
Für die beiden Kuratoren des britischen Beitrags, der sich „A Clockwork Jerusalem“ nennt, ist die Sache mit dem Hügel nämlich symptomatisch für die britische Architektur. Sich auf spielerische und oft auch extrem eklektische Weise der Vergangenheit zu bedienen, um die Zukunft zu planen: Das sei immer eine erfolgreiche britische Strategie, um zu ungewöhnlichen Lösungen zu kommen. So werden zum Beispiel in der Ausstellung aus dem Stonehenge-Monument die halbrunden Terrassenhäuser in Bath und daraus wiederum die moderne Wohnanlage Hulme Crescents in Manchester, die gerade in ihrem Scheitern zu einer Art realen Utopie wurde.
In diesem Sinne sehen die Kuratoren auch ihren eigenen Pavillon: als einen Steinbruch der jüngeren Geschichte, der die historischen Entwicklungen eben nicht im Detail erklärt, sondern der eher überraschende Bezüge und Wechselwirkungen aufzeigt mit dem Ziel, der Gegenwart Anknüpfungspunkte zu bieten. Der vielleicht überraschendste Aspekt: Für Jacob und Vanstiphout ist das Spezifische der britischen Moderne nicht die Architektur selbst, sondern ihre Bezüge zur Landschaft, die, anders als sonst in Europa, nicht nur funktional instrumentalisiert, sondern als ästhetischer Zustand herbeigesehnt wurde.
Gemeint ist die Idee des Steinbruchs aber durchaus auch politisch, was schon der Titel andeutet. Jerusalem bezieht sich hier nämlich auf einen Text von William Blake, der die Zustände während der Industrialisierung beklagte und dessen Impetus, diese zu ändern, eben auch zum Ursprung der modernen britischen Architektur wurde.
Die Kuratoren hoffen darauf, wieder an den historischen Willen zur Veränderung der Zustände anzuknüpfen zu können. Ihre formalen Mittel sind jedoch nicht überernst, sondern im besten Sinne britischer Pop. Wo viele der historisch orientierten Pavillons langatmige Orchesterstücke abliefern, erwartet einen hier das Ausstellungs-Äquivalent zu einem zackigen Song, dessen Energie einen erfrischt und inspiriert zurück in die Giardini entlässt. (Stephan Becker)
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