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14.12.2018

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Filmkritik: Rams

Der Grantler vom Taunus


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Heute erscheint der Dokumentarfilm „Rams“ von Gary Hustwit über die deutsche Designerlegende Dieter Rams. Unsere Autorin hat ihn bereits gesehen.

Von Jasmin Jouhar


Schon in einer der ersten Einstellungen von Gary Hustwits neuem Dokumentarfilm „Rams“ ist er zu sehen: der Fliesenboden in Dieter Rams’ Kronberger Bungalow. Nicht nur in der Küche, auch im Wohn- und Arbeitszimmer liegt flächendeckend rechteckige, weiße Ware mit grauen Fugen. Seit ich einmal vor Jahren in einer Zeitschrift eine Homestory über Rams gesehen habe, verkörpert dieses Fliesenraster all das, was den Gestalter für mich zur schwierigen Figur macht: der aufgeräumte, bisweilen harte Funktionalismus seiner Designsprache und die ernste, manchmal oberlehrerhafte Art, mit der er seine Nachhaltigkeitsbotschaften predigt. Das wirkt auf mich kontrolliert, eng, deutsch – eben wie der Fliesenboden im Nachkriegs-Bungalow, in dem Rams seit mehr als fünfzig Jahren mit seiner Frau Ingeborg Kracht-Rams lebt. Als bei der Filmvorführung in einem Berliner Kino die Rams’sche Wohnzimmer-Sitzgruppe ins Bild kommt, lacht das internationale Publikum auf, so unfreiwillig komisch erscheint die Kombination aus braunledernen Vitsœ-Polstermöbeln auf grauer Teppichbodeninsel auf weißen Fliesen im Jahr 2018. Wie viel heiterer, großzügiger und auch komplexer ist da das Haus von Ray und Charles Eames in Kalifornien.

Keine Frage, Dieter Rams ist einer der bedeutendsten Gestalter Deutschlands, vielleicht der deutscheste überhaupt. Man denke an sein geniales Regalsystem 606 für Vitsœ oder an die vielen stilprägenden Elektrogeräte, an deren Entwicklung er während seiner mehr als 30 Jahre als Chefdesigner bei Braun beteiligt war. Nicht zuletzt natürlich die „Zehn Thesen für gutes Design“, sein intellektuelles Vermächtnis, das ungebrochen Aktualität beweist. Regisseur Gary Hustwit lässt keinen dieser Meilensteine aus. Im Film folgen wir dem mittlerweile 86-jährigen Rams nach London zur Produktion des 606 oder erleben den sichtlich gerührten japanischen Designer Naoto Fukasawa, als er das erste Mal das legendäre Braun-Taschenradio T3 in den Händen hält. Es gilt als Inspiration für Apples iPod, was Rams gerade in den vergangenen Jahren neue Popularität verschafft hat. So gelang es Hustwit, für sein Filmvorhaben fast 280.000 Dollar per Crowdfunding einzusammeln. Der Kult um den Braun-Chefdesigner nimmt bisweilen kuriose Formen an: Vergangene Woche stellte das Frankfurter Taschenlabel Tsatsas ein Modell für Damen namens 0931 vor, das Rams ursprünglich 1963 für seine Frau entworfen hatte.

Der Film zeigt zwei Seiten von „Mr. Braun“: zum einen den Rams, den man einen Grantler nennen könnte – wäre da nicht sein hessischer Akzent. Wenn er auf einem Podium über die Autoindustrie schimpft oder im Vitra-Schaulager über die Entwürfe von Designkollegen, ist das zwar amüsant in seiner Treffsicherheit, aber es wirkt auch herrisch und verbittert. Es scheint, als ob der alte Mann da oben im Taunus in seinem Bungalow mit seinen Bonsais ganz in der Vergangenheit lebt – in einer Zeit, als die Welt noch mit Lochrastern und farbig codierten Schaltern in schöne Ordnung zu bringen war.

Doch Hustwit zeigt nicht nur den Grantler. Ihm ist es auch gelungen, einige persönliche Momente einzufangen, in denen wir einem anderen, freieren Dieter Rams begegnen. Etwa, als der Designer zu Hause auf einer seiner Braun-Stereoanlagen eine alte Jazzplatte auflegt und mit Sonnenbrille auf der Nase ein paar gekonnte Tanzbewegungen andeutet – wie damals in den Fünfzigern im Frankfurter Jazzkeller. Fast schon rührend die Szene, in der Rams am Steuer seines Autos sitzt. Noch bevor das Wappen auf dem Lenkrad in den Blick kommt, verrät das satte Blubbern des Motors: ein Porsche. Mit kindlicher Freude lenkt der 86-jährige den silbernen 911er durch die Wohnstraßen Kronbergs – natürlich etwas zu schnell, wie er der Kamera amüsiert anvertraut. So ein Porsche entspricht vielleicht nicht in allen Punkten seinen zehn Thesen für gutes Design, genauso wie Ettore Sottsass’ quietschrote Schreibmaschine Valentine, auf der er sich am Anfang des Films mit zwei Fingern abmüht. Aber dass sich Rams auch solche kleinen Frivolitäten erlaubt, das hat mich zuletzt doch mit dem weißen Fliesenboden versöhnt.

Rams
Ein Dokumentarfilm von Gary Hustwit
74 Minuten / USA / 2018

Video-Vorbestellung unter: www.ohyouprettythings.com


Video:




Zum Thema:

www.hustwit.com/rams


Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

2

Tee | 23.06.2021 14:04 Uhr

Rams

Er ist einer der größten Nachkriegsdesigner, hat Jahrzehnte geprägt wie kein anderer. Vielen Dank Dieter Rams für Deine gelebte Zeitlosigkeit!

1

Davide | 14.12.2018 16:03 Uhr

grandioser Film

Ich konnte den Film bereits auf der Premiere in Hamburg sehen und bin nachhaltig beeindruckt, wie es dem Regisseur - gerade durch das zeigen von Rams persönlichem Leben - gelungen ist seinen Entwürfen einen Kontext zu geben.
Im Gegensatz zur Autorin erging es mir umgekehrt: isoliert betrachtet waren seine Entwürfe für mich immer steril und technisch.
Erst im Konktext seines eigenen Hauses, auch dem zunächst schrullig wirkenden japanischen Garten, habe ich verstanden, wie angenehm unaufgeregt eine komplett damit möblierte Umgebung sein kann. Plötzlich geht seine ganze Philosophie auf, es wirkt nicht mehr steril, sondern harmonisch.
Der absolute Gegenentwurf des Ehepaares Eames, aber wesentlich faszinierender.

 
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Ungewöhnlich für ein Filmplakat, aber inhatlich sehr passend: Das Plakat zu Gary Hustwits Doku „Rams“

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Rams beim Entwerfen im Jahr 1970

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Rams daheim am Schreibtisch

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Rams in seinem Garten in Kronberg

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