- Weitere Angebote:
- Filme BauNetz TV
- Produktsuche
- Videoreihe ARCHlab (Porträts)
04.09.2024
Buchtipp: Geliehene Szenerien
Der Einfluss Japans auf die Schweizer Landschaftsarchitektur
Wie viel Japan steckt in der Schweizer Gartenarchitektur des 20. Jahrhunderts? Und woran wäre das zu erkennen? Dass jedenfalls der berühmte Gartengestalter Ernst Cramer (1898–1980) zwei seiner Schöpfungen ganz explizit als „japanisch“ bezeichnete, muss Rahel Hartmann Schweizer zufolge als Ausnahme gelten.
Für ihr Buch Geliehene Szenerien. Der Einfluss japanischer Gartenkunst auf die Schweizer Landschaftsarchitektur hat sich die Kunst- und Architekturhistorikerin deshalb auf die Suche nach vielfältigen Indizien begeben. Entsprechend schreibt sie, dass die Entwürfe von Hans Graf (1919–2014) durch einen Rückgriff auf den „Miniaturgarten“ geprägt sind, wohingegen für die Plandarstellungen Fredy Klausners (1921–2007) ein japanisch inspirierter Zeichenstil charakteristisch sei und das Werk Ernst Baumanns (1907–92) „eine der Zen-Kunst entsprechende Sensibilität“ aufweise.
Um ihren Leser*innen diese unterschiedlichen Weisen der Anverwandlung verständlich zu machen, stellt Hartmann Schweizer ihren zehn Fallstudien drei einführende Kapitel voran. Dabei vertraut die Autorin darauf, dass ihre Leserschaft mit der Schweizer Gartenbaugeschichte vertraut genug ist, um ein Kürzel wie „G59“ mühelos dechiffrieren zu können – gemeint ist die 1. Schweizerische Gartenbau-Ausstellung, die 1959 in Zürich abgehalten wurde. Demgegenüber gibt sich Hartmann Schweizer größte Mühe, zu Beginn des Buches grundlegende Kenntnisse der japanischen Gartenarchitektur und ihrer europäischen Rezeptionsgeschichte zu vermitteln. Schon diese Darstellung macht Geliehene Szenerien lesenswert.
Dass die „fernöstlichen“ Vorbilder Ende der 1920er Jahre auch in der Schweiz an Popularität gewannen, dürfte einerseits in der Diskrepanz zum axial gegliederten Architekturgarten gelegen haben. Ähnlich der „landschaftlichen“ Gestaltung, die im 18. Jahrhundert die barocke Strenge löste (und dabei auch von orientalisierenden Staffagen begleitet wurde), versprach die japanische Gartentradition eine neuerliche Naturnähe. Außerdem bot sie Vorbilder für eine Durchdringung von Garten und Haus, wie sie auch die europäische Moderne anstrebte.
Üppig mit Zeichnungen und historischen Aufnahmen bebildert, werden Hartmann Schweizers Erläuterungen zudem durch einen Fotoessay von Martin Linsi begleitet, der verschiedene Schweizer Grünanlagen dokumentiert hat. Wer sich Linsis Bilder nach der Lektüre von Geliehene Szenerien noch einmal ansieht, wird keine Zweifel mehr haben: Bei aller Verschiedenheit lassen die Fotos eines Altstättener Gartens, des Friedhofs in Zollikon und der Zürcher Uferpromenade einen verbindenden „japanischer“ Zug erkennen.
Text: Achim Reese
Geliehene Szenerien. Der Einfluss japanischer Gartenkunst auf die Schweizer Landschaftsarchitektur
Rahel Hartmann Schweizer
Gestaltung: Heimann + Schwantes
320 Seiten
Birkhäuser, Basel 2024
ISBN 978-3-035626452
78 Euro
Das Buch ist auch auf Englisch erschienen.
Kommentare:
Meldung kommentieren
Ein mäandernder Bach prägt den Grünraum im Garten Vasella von Adolf Zürcher in Risch
Der Plan für das Anwesen von Hugo Mann beinhaltet japanische Elemente: das japanisch gestaltete Atrium, die Magnolie und das „Teehäuschen“
Ernst Cramer, Garten für Wolfgang E. Hegner in Feldmeilen, 1948
Blick über den Kristallgarten von Neukom/Baumann auf Cramers Garten des Poeten an der G59
Bildergalerie ansehen: 16 Bilder