Seit dem 27. April 1984, 19 Uhr verfüge die Republik über ein Nachtleben, hieß es zur Eröffnung des neuen Friedrichstadt-Palastes launig im DDR-Fernsehen. Der Spiegel männerwitzelte wenig später über Glasnost bei den 55 Girls vom Ballett, die sich besonders offenherzig zeigten. Keine Frage – das neue Revuetheater, mit dem das schöne Leben an die legendäre Berliner Vergnügungsmeile zurückkehren sollte, war ein großes Ereignis. Jetzt wird das Gebäude der Architekten Manfred Prasser und Dieter Bankert mit seiner bemerkenswerten Mischung aus Jugendstilzitaten und Plattenbau von Landeskonservator Christoph Rauhut unter Denkmalschutz gestellt.
Als letzter großer Repräsentationsbau der DDR wird das Theater mit knapp 2.000 Plätzen und der – laut Eigenbeschreibung – größten Bühne der Welt in der Presseerklärung als Höhe- und Endpunkt der Epoche der „DDR-Paläste“ beschrieben. Das Projekt im Stil einer „sozialistischen Postmoderne“ war Teil der Bemühungen, die Friedrichstraße zum extravaganten Boulevard auszubauen. Es werde eine Freude sein, dort zu bummeln, ließ Erich Honecker wissen. Neben dem Palast entstanden unter anderem auch ein Grand Hotel, das heutige Westin Grand, und die Spreeterrassen, die inzwischen vom Publikum des Grill Royal bevölkert werden.
Der Friedrichstadt-Palast war aber mit Abstand das ungewöhnlichste Projekt, das von Erhardt Gißke als Generaldirektor der Baudirektion Hauptstadt Berlin verantwortet wurde. Dem Neubau ging die Entscheidung voraus, den teilweise noch in seiner alten Form erhaltenen alten Friedrichstadt-Palast von Hans Poelzig abzureißen. Dessen Pfahlfundament war durch die Grundwasserabsenkung in Folge der Errichtung des Charité-Hochhauses stark beschädigt worden. Zumindest einige Ausstattungsstücke konnten aber in den Neubau hinübergerettet werden, auch die Kronleuchter sind dem Ursprungsbau nachempfunden. Das Foyer des heutigen Palasts wurde 2011 saniert und auch der Außenraum etwas verändert. Ansonsten ist die Architektur aber bis heute weitgehend unverändert. (sb)
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Hinrich Schoppe | 21.08.2020 16:39 UhrSehr Spät-Moderne
Gut.
Alles, was der DDR-Moderne - und nicht nur dieser - hilft.
Ein Präzedenzfall und ein exponiertes Objekt, keine Frage.
Aber vielleicht - diese die Hoffnung - lässt es Licht fallen auf einige vermeintlich unspektakulärere Bauten dieser Zeit. Solange sie noch da sind.