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31.03.2020

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Buchtipp: Kunst des Bewahrens

Denkmalpflege, Architektur und Stadt


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„Denkmalpflege ist eine schöpferische, vorausschauende Disziplin“ – gleich der erste Satz im Klappentext des gerade erschienenen Sammelbands „Kunst des Bewahrens“ des Architekten und Denkmalpflegers Thomas Will dürfte viele Architekten*innen neugierig machen und auch überraschen, denn diese akademische Perspektive erleben die wenigsten von ihnen im alltäglichen Umgang mit den Fachbehörden. 

Der in München und an der Cornell University studierte Will, in den 1980er und 1990er Jahren gemeinsam mit Tomáš Valena ein Architekturbüro in der bayerischen Landeshauptstadt führend, versammelt in dem dickleibigen Buch viele Texte, die er größtenteils zwischen 1994 und 2018 während seiner Zeit als Professor für Denkmalpflege und Entwerfen an der TU Dresden veröffentlichte. Die in sieben Kapitel aufgeteilten Beiträge behandeln Themen an der Schnittstelle von „Denkmalpflege, Architektur und Stadt“ – so der Untertitel dieses Opus magnum. Dazu zählen Reparatur und Rekonstruktion,  Gebrauch von und Eingriffe am Denkmal, Erinnerungspolitik, denkmalpflegerische Perspektive auf den Städtebau und die Positionierung der Denkmalpflege als Teil einer vorausschauenden Umweltplanung in der Kulturökologie. 

Im Zentrum steht die Beziehung zwischen Denkmalpflege und Entwerfen, der das erste Kapitel gewidmet ist. Den Auftakt hierzu macht Wills 1992 erstmals veröffentlichter und längst zu einem Schlüsseltext des Fachs avancierter Aufsatz „Kunstwissenschaftler oder Architekt vor dem Denkmal“, in dem er mit der Vorstellung von einer rein wissenschaftlich-agierenden, nicht-interpretierenden und nicht-gestaltenden Denkmalpflege aufräumt. Sobald es gelte „Hand anzulegen“, begebe sich der Denkmalpfleger – egal ob Architekt oder Kunsthistoriker – auf das freie Feld der Gestaltung, schreibt Will. Was den Inventarisierungsaspekt ihrer Arbeit betrifft, arbeiten Denkmalpfleger nicht viel anders als Kuratoren oder Konzeptkünstler, so ein Vergleich des Autors, der in mehreren seiner Texte auftaucht.

Sein architektonischer Blick auf das kunsthistorisch geprägte Fachgebiet der Denkmalpflege zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und drückt sich auch in der Bebilderung der Aufsätze aus. Unter den Abbildungen finden sich Filmstills aus Jaques Tatis „Mon Oncle“ (1958) und Le Corbusiers geradezu brutale Zeichnung für den Pavillon Suisse (1930/32) – dessen Pfahlfundamente die Hohlräume eines historischen Bergstollens durchstoßen – ebenso wie dessen utopischer städtebaulicher Entwurd, der „Plan Voisin", den Will in seinem Text „Düsterer Hintergrund, reizende Reste. Zum Bild der alten Stadt in den Projekten der Avantgarde“ eingehend untersucht. Fotostrecken der Berliner Designerin und Fotografin Katrin Greiling und des Dresdener Architekturfotografen Till Schuster lockern die dicht beschriebenen Seiten zwischen den Kapiteln auf und erzählen auf eigentümliche Weise von Übergängen, Spuren und Reparatur.

Das Buch selbst wird mit den über mehrere Jahrzehnte hinweg publizierten Texten zu einer Art fachlichen Autobiografie mit ablesbaren Zeitschichten. Den von ihrer jeweiligen Gegenwart geprägten – und so nicht immer dem aktuellen Diskurs entsprechenden – Aufsätzen verhilft Will mit dem souveränen Kunstgriff einer offenen Peer-Review zu einem Update. 20 renommierte Fachleute, darunter etwa Architekturkritiker Wolfgang Kil, Architekt Hans Kollhoff und Denkmalpfleger Achim Hubel, kommentieren in Form von Randnotizen. Schade allerdings, dass Will hier bis auf wenige Ausnahmen hauptsächlich pensionierte oder kurz vor der Emeritierung stehende Professoren*innen zu Wort kommen lässt.

In neueren Texten setzt sich Will mit dem jüngeren Diskurs und aktuellem Verständnis von Kulturerbe auseinander. Spricht er an anderer Stelle von der „moralisierenden Überheblichkeit“ und „wissenschaftlichen Objektivitätsbehauptungen“ der Denkmalpflege, zeigt er sich in der Auseinandersetzung mit Kritik, Krise und Konflikten der Disziplin doch als eloquenter Verteidiger einer das Besondere und Erhabene schützenden Praxis der institutionalisierten Denkmalpflege.

Text: Luise Rellensmann

Kunst des Bewahrens. Denkmalpflege, Architektur und Stadt
Thomas Will
Mit Fotografien von Katrin Greiling und Till Schuster
Deutsch
536 Seiten
Reimer, 2020
ISBN 978-3-496-01609-0
39 Euro



 
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