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14.02.2023

Seid konsequent!

Debatte um den Wettbewerb zur Berliner Bauakademie


Im Frühjahr soll endlich der Wettbewerb für den Neubau der Bauakademie in Berlin starten. Doch wie offen wird er sein und was genau wird zur historischen Fassade in der Auslobung stehen? Vergangene Woche meldeten sich erneut prominente Stimmen zu Wort und polarisierten die Debatte im positiven Sinne.

Von Friederike Meyer

Geht es lediglich um die nachgebaute Kopie eines unwiederbringlich verlorenen Originals oder nicht vielmehr um die Wiedererrichtung der Bauakademie als richtungsweisende Institution in ihrer Zeit? Diese in Berlin seit 2017 diskutierte Frage steht am Anfang eines offenen Briefes, der vergangenen Mittwoch von der TU Berlin aus an Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) ging. Unterzeichnet haben ihn über 30 namhafte Vetreter*innen aus Verbänden und Institutionen, darunter von BDA, Bundesarchitektenkammer, Bundesingenieurkammer, Architektenkammer Berlin, BDA Berlin, Bauhaus der Erde, Professor*innen verschiedener Hochschulen und Architekt*innen.

Sie empfehlen einen offenen zweiphasigen Wettbewerb mit niedrigschwelligen Zugangskriterien. Das Gebäude, heißt es im Brief, solle ein Demonstrationsprojekt für Nachhaltigkeit und Zukunftsorientiertheit in Bauwesen und Stadtentwicklung werden, an die Innovationskraft Karl Friedrich Schinkels anknüpfen und auf dessen Fundamenten ein Gebäude (wieder-)errichten, das innovativ nach Lösungen in Zeiten der Klima- und Ressourcenkrise sucht. Das 1,5-Grad-Ziel müsse eingehalten und sichtbar in Material, Konstruktion und Ästhetik werden.

Zu der vor einigen Wochen diskutierten Tatsache, dass die Berliner Senatsverwaltung mit einer Gestaltungsverordnung Vorgaben machen will, positionieren sich die Unterzeichner*innen eindeutig, formulieren aber vorsichtig: Bei aller Wertschätzung Schinkels, der mit der Bauakademie 1832–36 zweifellos eines der innovativsten Gebäude seiner Zeit geschaffen habe, müsse die Frage erlaubt sein, ob der Nachbau einer 190 Jahre alten Fassade im Jahr 2023 wirklich der richtige Impuls sein könne.

Wie die Rekonstruktionsfrage aus architekturhistorischer Perspektive zu bewerten ist, wie die Aufgabe für den Wettbewerb formuliert werden soll, ob sich aus Schinkels Erbe ökologische Erkenntnisse ziehen lassen und ob man mit Ziegel rekonstruieren kann – darüber diskutierten elf Referent*innen am Freitag auf einem Symposium, zu dem der Architekten- und Ingenieurverein Berlin Brandenburg AIV gemeinsam mit der TU Berlin und der Baukammer Berlin in die Bertelsmann Stiftung geladen hatte.

Architekturtheoretiker Fritz Neumeyer sagte, man könne Schinkel nicht auf ein architektonisches Existenzminimum reduzieren und eine Jury dann darüber entscheiden lassen, was angebracht sei. Architekturhistoriker Peter Stephan von der FH Potsdam sah nur zwei Optionen: „Entweder wir verabschieden uns von Schinkel ohne einen Bezug zu heucheln und eine Version als Rekonstruktionsvariante auszuwählen oder wir würdigen die alte Bauakademie als unverzichtbaren Teil Berlins, als Monument eines aufgeklärten Humanismus.“ AIV-Vorsitzender und Architekt Tobias Nöfer wünschte sich eine „ökologische Rekonstruktion“ und äußerte Sorge, dass die 30 Jahre Vorarbeit, die in dem Wiederaufbauprojekt steckten, zu einem Wischiwaschi vermasselt werde. Dieter Nägelke, Leiter des Architekturarchivs der TU und Beauftragter der Präsidentin der TU für die Neue Bauakademie, formulierte sogar die Option, gar nicht zu bauen.

„Wenn Sie Schinkels Bauakademie wieder rekonstruieren wollen, dann bitte reskonstruieren Sie ohne Wenn und Aber“, sagte die Vorsitzende des BDA Berlin, Julia Dahlhaus, um anschließend klar zu stellen: „Aber dann erwarten Sie bitte nicht, dass hier ein Ort des Austausches, der Forschung und des Denkens in die Zukunft im Sinne Schinkels passiert. Dann müssen Sie den Programmwettbewerb vergessen und die Idee, dem Bauen der Zukunft an dieser Stelle einen Ort zu geben. Das wäre äußerst bedauerlich.“ Man werde scheitern, wenn man versucht, nicht geklärte Zielsetzungen in den Wettbewerb zu verlagern, und wenn man versucht, Inhalt und Form voneinander zu trennen.

Achim Wollschläger
, Beauftragter Bau bei der Bundesstiftung Bauakademie, sah im Wiederaufbau eine räumliche und bauliche Umsetzung der Ziele der Stiftung im Sinne eines Reallabors. Eike Roswag-Klinge, Mitinitiator des offenen Briefes und Leiter des Natural Building Lab der TU Berlin, erinnerte an die Verantwortung, die der Neubau im Hinblick auf die planetaren Grenzen hat und unterstützte ebenfalls den Gedanken eines Reallabors. Elisabeth Endres vom Institut für Bauklimatik und Energie der Architektur in Braunschweig warnte vor einem hohlen Zahn, bei dem die Hülle nichts mit dem Inneren zu tun hat und fragte, wie viele Bedürfnisse dieses Haus eigentlich erfüllen müsse.

Auch wenn die Positionen für Rekonstruktion oder Neubau längst hinreichend bekannt sind und die Debatte um die Bauakademie für viele inzwischen zu reiner Unterhaltung verkommen ist, mit der sich einige zu profilieren versuchen und die Aufmerksamkeit für weit wichtigere Themen der Stadt absorbieren, machte die vergangene Woche immerhin zweierlei deutlich.

Erstens: Diese Debatte gehört zu den längsten, die je um einen Auslobungstext und damit im Vorfeld eines Wettbewerbs öffentlich stattgefunden haben. Damit zeigt sie, dass die Architektenschaft aus all jenen Verfahren gelernt hat, die ungeklärte Fragen den Teilnehmer*innen und der Jury überlassen hatten und damit zu unglücklichen Ergebnissen führten.

Zweitens wurde deutlich, dass vor der Auslobung das Entweder-Oder entschieden sein muss. Wer aus dem vollbesetzten Saal der Bertelsmann Stiftung in Richtung Humboldt Forum blickte, hatte das beste Argument für eine klare Ansage vor Augen. Und so schien man sich an dem Abend zumindest über eines einig: Eine historische Fassade vor neuer Kiste kann es nicht sein.


Zum Thema:

Die neue Website bauakademie.jetzt versammelt 30 Ansichten zur Bauakademie. Die ersten zehn sind bereits online.


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